: Von Brötchen und Lügen
SPD-Sozialsenatorin Karin Roth auf der Suche nach Auswegen vor ihrem Weg ins Aus. Die CDU fordert ihren Rücktritt ■ Von Sandra Wilsdorf
„Wir haben es satt“, sagt CDU-Fraktionschef Ole von Beust und fordert den Rücktritt von Sozialsenatorin Karin Roth (SPD). „Denn wer lügt, darf nicht Senatorin sein“, erklärt er. Genau das aber hält die CDU für bewiesen: Roth hatte Dienstag dem „Verein zur Betreuung von Arbeitslosen und Arbeitslosenselbsthilfegruppen“ den Geldhahn zugedreht. Angeblich, weil sie erst jetzt davon erfahren hatte, dass der Verein sich sein Budget regelmäßig dadurch aufbesserte, dass Mitarbeiter Brötchen für Gewerkschafter schmierten.
Nun scheint diese Behauptung nur die übliche „hab' von nichts gewusst“-Strategie Karin Roths gewesen zu sein: Die BAGS hat den Verein regelmäßig überprüft und nie beanstandet. Vereinsvorsitzender Ehrhard Pumm, schreibt in einem Brief an die BAGS: „Es lagen sämtliche Buchungsordner vor. In diesen Buchungsordnern befanden sich auch die Rechnungsausstellungen gegenüber den Gewerkschaften für in Rechnung gestellte Lebensmittel einschließlich der Empfangsscheine, in der die Belieferung im einzelnen aufgeführt wurde.“
Auf den Widerspruch der Aussagen angesprochen, fiel der Senatorin in der Fragestunde der Bürgerschaft ein: Der entscheidende Ordner nämlich, der mit den Brötchen-Belegen, ja ausgerechnet der, war den behördlichen Kontrolleuren nicht wichtig erschienen und sie hatten ihn nicht angefordert. Erst bei der jetzt eilig angeordneten Komplett-Kotrolle haben die Kontrolleure ihn eines Blickes gewürdigt.
Allerdings will Ole von Beust da auch noch ein Protokoll des Arbeitsamtes haben. Danach sei bei einer Anhörung schon im Frühjahr 2000 davon die Rede gewesen, dass der Verein nicht nur für die Besucher des Arbeitslosentreffs, sondern gegen Rechnung auch für andere „gastronomische Verpflegung bei Treffen organisiert“. Bei der Anhörung soll auch ein Vertreter der BAGS anwesend gewesen sein. Dazu Sprecherin Ute Winkelmann-Bade: „Davon ist mir nichts bekannt, aber die Untersuchungen sind ja noch nicht abgeschlossen.“
Damit hat die CDU die Senatorin in der totalen Defensive: Eine Diskussion darüber, was eigentlich so schlimm daran sein soll, wenn man statt den Luxus-Partyservice von draußen den aus dem eigenen Haus beauftragt ist unmöglich. Auch nicht die darüber, dass es im Wesen von Beschäftigungsprojekten liegt, dass sie immer auch Konkurrenz zu Unternehmen sind. Jetzt geht es nur noch um die Frage: Wer lügt?
Die SPD erklärte sich gestern für die angeschlagene Senatorin: „Die CDU nimmt die Klärungsphase einer Auseinandersetzung zwischen einem Verein und der Behörde zum Anlass, die Senatorin der Lüge zu bezichtigen“, sagt SPD-Fraktionsvorsitzender Holger Christier. Das sei in seinen Augen unakzeptabel, schlechter Stil und ein „erschreckend niedriges Niveau“. Die CDU will in der nächsten Bürgerschaftssitzung in zwei Wochen Roths Rücktritt beantragen. Christier kündigte an, dass die SPD ihn „selbstverständlich geschlossen ablehnen“ würde.
Was derweil aus den beim Verein beschäftigten ABM-Mitarbeiter wird, besprach gestern das Arbeitsamt mit ihnen. „Wir bemühen uns um eine Anschlussperspektive“, sagte ein Sprecher. Das heißt: Die Mitarbeiter werden auf andere Träger umverteilt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hingegen versprach gestern den Beschäftigten des Vereins Rechtsschutz gegenüber Arbeitsamt, BAGS und dem Verein selbst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen