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„Votum gegen das Establishment“

Patricia McKenna, Europaabgeordnete der irischen Grünen, begrüßt das Nein Irlands zum Nizza-Vertrag und fordert die EU auf, den Willen der Iren zu respektieren: „Wir haben jetzt die Chance, darüber zu diskutieren, wie Europa funktionieren soll“

Interview RALF SOTSCHECK

taz: Warum haben die Iren den Vertrag von Nizza am 7. Juni im Referendum abgelehnt?

Patricia McKenna: Zum einen lag das an der Einstellung der Regierung, die sich ihrer Sache zu sicher war. Bisher hatte die Bevölkerung bei allen EU-Volksentscheiden zugestimmt. Inzwischen sind ihr aber die Folgen klar geworden. Europa wird immer stärker militarisiert. Außerdem geht den Menschen die Einmischung aus Brüssel zu weit. Das wurde besonders im Frühjahr deutlich, als Finanzminister Charlie McCreevy wegen seines Haushaltsplans von Brüssel abgemahnt wurde. Die irische Regierung behauptet, eine Ablehnung des Vertrags von Nizza wäre egoistisch; die osteuropäischen Länder sollen dieselbe Chance erhalten, die auch wir hatten. Das wollen wir auch, aber nun sollen die Regeln verändert werden, bevor diese Länder aufgenommen werden. Der Vertrag von Nizza spaltet Europa in Länder erster und zweiter Klasse. Irland hätte nicht mehr ein automatisches Recht auf einen Kommissar, das Vetorecht würde in 30 Bereichen abgeschafft.

Wie hat sich Brüssel beim irischen Referendum verhalten?

Die Kommission hat sich in den Volksentscheid eingemischt. Aber sie darf sich nicht dafür einsetzen, dass die Regeln verändert werden, sondern sie soll die bestehende Verträge umsetzen.

Welche Rolle hat die irische Regierung gespielt?

Die Partei Fianna Fáil hat sich, als sie noch in der Opposition war, gegen Irlands Beitritt zu Partnership for Peace eingesetzt. Sie forderte ein Referendum darüber. Als sie an die Macht kam, war sie plötzlich für den Beitritt und hielt das gerade noch geforderte Referendum für unnötig. Damit hat sie viel Vertrauen verspielt. Und sie hat viel zu wenig Zeit gegeben. Die Informationskampagne vor dem Referendum dauerte gerade mal drei Wochen. Darüber hinaus gab es am selben Tag zwei weitere Volksentscheide zur Abschaffung der Todesstrafe und zur Einrichtung eines Europäischen Strafgerichtshofes. Die Referendumskommission, die die Bevölkerung über das Für und Wider informieren soll, musste also sechs verschiedene Argumentationsketten innerhalb von drei Wochen zusammenfassen. Am Ende konnte sie die Bevölkerung nur durch Zeitungsannoncen informieren, für Broschüren an jeden Haushalt war die Zeit zu knapp.

Es war schon eine merkwürdige Koalition aus links und rechts gegen Nizza, oder?

Es waren nicht nur die Grünen, Sinn Féin und die Workers Party, sondern auch die Rechte. Darüber hinaus waren viele Mitglieder der großen Parteien mit dem Vertrag nicht glücklich. Es war kein Votum gegen die Parteien, sondern gegen das politische Establishment.

Wie geht es weiter?

Inzwischen hat sich Wut über die Einstellung der Regierung zum Votum der irischen Bevölkerung breit gemacht. Man ignoriert es einfach: Wir sollen noch mal abstimmen, bis wir es so machen, wie die Regierung es will. Nach meiner Meinung muss der Ratifizierungsprozess gestoppt werden. Das irische Nein besteht, und es ändern zu wollen wäre undemokratisch. Die anderen Länder erhalten gar nicht erst die Gelegenheit, über den Vertrag abzustimmen, weil die Regierungen ahnen, dass er abgelehnt würde. Auch das ist undemokratisch. Wir haben jetzt die Chance, darüber zu diskutieren, wie Europa eigentlich funktionieren soll. Stattdessen entschuldigt sich die irische Regierung für den Willen des Volkes, obwohl es ihre Aufgabe wäre, ihn zu respektieren und die Verfassung zu schützen.

Eine Neuverhandlung ist von den europäischen Regierungen ausgeschlossen worden. Welche anderen Möglichkeiten gibt es?

Man wird versuchen, uns mit legal nicht bindenden Erklärungen abzuspeisen und ein neues Referendum zu veranstalten. Diese Erklärungen sind nichts weiter als Versprechungen. Und was die wert sind, wissen die Menschen in Irland. Es könnte sein, dass die Zahl der Neinstimmen beim nächsten Mal noch höher liegt.

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