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Erleichterung nach Berliner Intervention

■ Landespflegegeld, die vorerst letzte: Gestern beschloss Bürgerschaft die Nicht-Abschaffung, und alle waren froh

Vielleicht musste erst einer aus Berlin kommen und den Bremern sagen, dass sie Mist machen. Vielleicht musste erst einer von der CDU kommen – der Partei, die das Finanzressort hält. Vielleicht muss-te erst Bernd Neumann, CDU-Landesvorsitzender und Bundestagsabgeordneter, wenige Tage vor der alles entscheidenden Bürgerschaftssitzung kommen und der großen Koalition sagen, es sei das falsche Signal, das Landespflegegeld zu streichen. Freitag noch sah es so aus, als würden die Parlamentarier genau das tun. Gestern hingegen verabschiedete sich das Parlament von diesem Plan. Das tat Rot-Schwarz mit soviel Erleichterung, dass nicht mehr ganz klar war, warum sie in den vorangegangenen Monaten trotz aller Proteste so hartnäckig an ihrem Vorhaben festgehalten hatten.

Frank Pietrzok von der SPD dankte Blinden und Sehbehinderten, „dass sie uns die Möglichkeit gegeben haben, aus dieser schwierigen Situation einen Ausweg zu finden.“ Die CDU-Intervention allerdings hielt Pietrzok „nicht für klug.“ Und die Behindertenverbände bekamen auch noch ihr Fett weg: Ihre Anhörung im Petitionsausschuss, um die der SPD–Mann sich „sehr viel Mühe gegeben“ habe, sei nicht zuletzt deshalb geplatzt, weil die Behinderten dem Ganzen „ihre Legitimation verweigern“ wollten.

Karl-Uwe Oppermann von der CDU fand die Kritik an seiner Partei und seinem Vorsitzenden nicht einsichtig. „Unter dem Eindruck dieser in der Geschichte der Bundesrepublik einmaligen Demonstration“, sagte er und meinte die Blinden-Demo vor knapp zwei Wochen, seien manche nachdenklich geworden. „Zu diesen nachdenklich gewordenen Menschen gehörte auch der Landesvorsitzende der CDU.“

Oppermann lobte ansonsten Sozialsenatorin Hilde Adolf (SPD) für den Paradigmenwechsel im Ressort – „fördern statt fordern“ – und den Sparwillen. Was diese mit Blick auf CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff, der Neumanns Vorstoß unterstützt hatte, bissig konterte: „Wenn Sie mich auf dieser Klettertour begleiten wollen, höre ich das gerne. Aber bitte sagen Sie Ihrem Kletterführer, dass das hier 'ne Mannschaft ist.“

Auch wenn es sich gestern anders anhörte: Das von der Bürgerschaft beschlossene Gesetz hat Tücken. Darauf wies die Karoline Linnert von den Grünen hin. Die rechtlich umstrittene Verrechnung des Landespflegegelds mit Leistungen aus der Pflegeversicherung für Menschen, die in Heimen leben, ist jetzt festgeschrieben – und damit der kritische Punkt, der die Ursache für die geplante Streichung war, beseitigt. Doch Menschen, die noch Geld haben und einen Teil ihrer Unterbringungskosten selbst zu zahlen, bekommen kein Landespflegegeld mehr. So werden durch die Hintertür doch wieder Einkommen und Vermögen auf das Landespflegegeld angerechnet. Deshalb appellierte Linnert ans Parlament: „Pauken Sie das jetzt nicht durch.“ Darauf hörte nur ihre eigene Fraktion. sgi

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