AUCH MÜTTER FINDEN VOR ALLEM IM BERUF IDENTITÄT UND ANERKENNUNG: Der Niedergang der Hausfrau
Immer mehr Mütter wollen nach dem Erziehungsurlaub wieder arbeiten. Dies geht aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg hervor. Danach kehren im Westen 70 Prozent, im Osten 85 Prozent der Mütter nach der Familienpause in den Job zurück. Ein rasanter Wandel: Eine IAB-Erhebung von 1997 ergab noch, dass im Westen nicht mal die Hälfte der Mütter wieder eine Arbeit aufgenommen hatte. Ein klarer Trend: Wer Kinder hat, will trotzdem arbeiten, und zwar meist nicht nach drei, sondern eher schon nach zwei Jahren. Die Angst der Frauen, auf dem Arbeitsmarkt abgehängt zu werden, wenn sie zu lange aussetzen, ist groß.
Damit vollzieht sich auch eine kulturelle Veränderung, die nicht übersehen werden darf: Nichts wird heute so hoch bewertet wie bezahlte Arbeit – und niemand ist so out wie die Hausfrau. Das gilt insbesondere für akademische Milieus. Die Berufstätigkeit der Frauen und also auch der Mütter gilt als ein Zeichen der Gleichberechtigung, des Fortschritts. Schon Simone de Beauvoir hatte gefordert, dass eine Frau ihr eigenes Geld verdienen sollte, selbst wenn sie dafür eine langweilige Arbeit annehmen müsste. Das ist ja richtig, umgekehrt aber gilt damit auch: Eine Frau, die nach der Geburt ihrer Kinder viele Jahre Hausfrau bleibt, ist in diesem Wertesystem abgemeiert. Und wenn sie gar nicht mehr in einen Job zurückfindet, gilt sie als Person ohne Zukunft: Bald sind die Kinder aus dem Haus, die Liebe des Mannes vielleicht erkaltet, und dann? Das ist die Horrorvision – und sie erzeugt erheblichen Leistungsstress bei den Müttern.
Nach der Geburt der Kinder möglichst bald wieder zu arbeiten ist daher das einzige Identitätskonzept, dass gebildeten Frauen bleibt. Was von der langen Lebenszeit her durchaus vertretbar wäre und was auch Familienministerin Bergmann angeregt hat, das werden nur wenige Frauen wagen: vielleicht sogar während der Schulzeit der Kinder noch einmal vier, fünf Jahre auszusetzen, um zu Hause zu sein, wenn der Nachwuchs von der Schule kommt. Das Bild der Mutter, die nachmittags zu Hause ist und kocht, gehört gerade in der akademischen Mittelschicht bald der Vergangenheit an. Zu Recht, solange Erziehungszeiten weder mit Anerkennung noch Chancen vergütet werden. Stattdessen wird die Ganztagsbetreuung ausgebaut, Ansätze dafür gibt es schon.
Doch damit verkleinert sich der Freiraum für die Kinder: Immer weniger von ihnen können am Nachmittag mit Freunden auf der Straße spielen, ohne Programm, in dem Bewusstsein, dass ein Elternteil zu Hause ist. Alles wird noch ein bisschen mehr verplant. Ein bisschen bedauerlich ist das schon. BARBARA DRIBBUSCH
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