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Israels Siedler sind unzufrieden

Das Kabinett will weiter militärische Zurückhaltung gegenüber den Palästinensern üben. Das bringt die Siedlerverbände gegen die Regierung Scharon auf. Doch manche erwägen einen Umzug in sicherere Gebiete. Nur 54 Prozent wollen bleiben

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

„Die Gewehre der Oslo-Verbrecher morden uns“ heißt es auf einem Plakat jüdischer Siedler, die gestern ein Protestzelt vor dem Sitz des israelischen Regierungschef Ariel Scharon aufbauten. Die Siedler reagierten damit auf die Entscheidung des Kabinetts, die Politik der militärischen Zurückhaltung gegenüber den Palästinensern fortzusetzen.

„Dieser Beschluss macht uns nur noch nervöser und aggressiver“, kommentierte Joshua Mor-Jossef, Sprecher des Siedlerverbandes Jescha (Initialwort für Judäa, Samaria und Gaza-Streifen). „Wir sind bereit, für unser Vaterland zu sterben, aber nicht für diesen Waffenstillstand.“

Bereits Anfang der Woche hatte der Siedlerverband an die rechten Koalitionsmitglieder appelliert, mit einem Rücktritt aus der Regierung zu drohen, sollte Scharon seine Politik fortsetzen. Ofir Pines, Fraktionsvorsitzender der Arbeitspartei, warnte die jüdischen Siedler davor, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen und damit „Rechtsstaat und Demokratie zu gefährden“.

Seit Beginn des Waffenstillstands häufen sich die Angriffe von Siedlern auf palästinensische Zivilisten. Gestern wurde ein Jugendlicher aus der palästinensischen Stadt Tulkarem offenbar absichtlich von einem israelischen Autofahrer angefahren. Die palästinensischen Sicherheitskräfte patrouillieren seither mit aufgestocktem Personal im Bereich der jüdischen Siedlungen. Bereits unmittelbar nach dem Attentat auf eine Diskothek in Tel Aviv, bei dem Anfang des Monats zwanzig Menschen starben, griffen Siedler eine palästinensische Bauernfamilie an und töteten zwei Brüder aus Hebron. Sabotage und das Inbrandsetzen von Gewächshäusern, Werkstätten, Läden oder sogar einer Schule in Nablus sind fast an der Tagesordnung.

Diese Übergriffe sind besonders hart für die Palästinenser, wenn ihre Dörfer und Städte blockiert sind und die Zufahrt für Ambulanzen und Feuerwehrwagen erschwert wird. Die israelische Friedensbewegung Gusch Schalom berichtet, dass „die Gewalt von Siedlern gegen Palästinenser in den besetzten Gebieten ein weit verbreitetes Phänomen ist“, das seit Beginn der ersten Intifada 1987 insgesamt 119 Palästinensern das Leben gekostet habe.

„Wir waren immer gegen Selbstjustiz“, erklärt Jescha-Sprecher Mor-Jossef, dennoch könne es nicht so wie bisher weitergehen. In den vergangenen neun Monaten sei „5.000-mal auf uns geschossen worden“, berichtet er. Dabei seien 69 Siedler ums Leben gekommen, darunter zwei in dieser Woche. Um dem Terror ein Ende zu machen, müsse die Regierung genauso gegen Palästinenserpräsident Jassir Arafat vorgehen, wie „die USA gegen Ben Laden oder Saddam Hussein“. Wenn nötig, müsse Arafat „eben zurück nach Tunis geschickt werden“.

Die erhöhte Gefahr für die Siedler weckt bei immer mehr Menschen den Wunsch, in eine sicherere Gegend umzuziehen. Jüngsten Umfragen zufolge wollen nur noch 54 Prozent der Siedler auf jeden Fall dort wohnen bleiben, wohingegen 19 Prozent einen Umzug erwägen. Bei Jugendlichen liegt die Zahl sogar bei rund 30 Prozent. Problematisch für die umzugswilligen Siedler ist, dass noch keine Regelungen für eine eventuelle Entschädigung bestehen.

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