No-go-Umland: Schläger vor Gericht

Vor zweieinhalb Jahren wurden zwei junge Türken bei Strausberg angegriffen. Erst jetzt gibt es einen Prozess

Seinen ersten Arbeitstag hatte sich Süleyman E. anders vorgestellt. Als der heute 30-Jährige am 19. September 1998 seinen türkischen Kollegen Mehmet Y. bei der Auslieferung von Medikamenten im Kreis Strausberg begleitete, war er „eigentlich nicht nervös“. Schließlich fuhr Mehmet Y. die Liefertour schon ein halbes Jahr – problemlos. Doch seit dem Ende jenes Arbeitstages fährt Mehmet Y. gar nicht mehr „in den Osten“ und Süleyman E. „nur noch, wenn ich unbedingt muss“. Wie gestern, als Zeugen vor dem Amtsgericht Strausberg. Zweieinhalb Jahre, nachdem sie von den beiden Männern, die sich mit modischem Kurzhaarschnitt auf der Anklagebank ducken, angegriffen und beleidigt worden sein sollen.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die beiden 25-Jährigen aus „fremdenfeindlicher Motivation“ den Lieferwagen der Türken auf offener Landstraße zunächst ausbremsten. Dann seien Süleyman E. und Mehmet Y. von den nicht einschlägig vorbestraften Angeklagten aus dem Fahrzeug gezogen worden. Es folgten Schläge, Tritte und „Scheiß Türken“-Sprüche. Die Opfer erlitten Gesichtsverletzungen; Mehmet Y. litt wochenlang an Albträumen und den Folgen eines Nierentritts.

Vor Gericht fällt es Süleyman E. und Mehmet A. nicht immer leicht, sich zu erinnern. Beide sagen, dass sie die Gesichter der Schläger in der Dunkelheit nicht erkannt haben. Sie hätten sich jedoch so lange gewehrt, bis die Angreifer schließlich wegfuhren. Dabei konnten sie sich deren Autokennzeichen merken.

Vor Gericht bestritten die Angeklagten eine Zugehörigkeit zur rechten Szene. Der aus Friedrichshain kommende Arvid W. behauptete gar, Anfang der 90er-Jahre Punk gewesen zu sein. Heute arbeitet er im „Promotionbereich“. Sein Mitangeklagter, der gleichaltrige Nico L., versteckte vorsorglich seine Tattoos unter den Ärmeln des Lonsdale-Hemds und verwies auf seine Informatikumschulung.

Zunächst beharrten die Angeklagten dann auch darauf, die Provokation sei damals von den türkischen Lieferanten ausgegangen. Nachdem im Prozessverlauf jedoch die Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung untermauert wurde, änderte sich die Verteidigungsstrategie: Wortreiche Entschuldigungen bei den Opfern schienen nun opportun. Die würden das Geschehen am liebsten ganz vergessen und verstehen nicht, „warum alles so lange gedauert hat“. In zehn Tagen soll ein Urteil gesprochen werden.

HEIKE KLEFFNER