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Billig und schnell zum Betriebsrat

Heute will Rot-Grün die Reform der Betriebsverfassung endgültig durch den Bundestag bringen. Das Gesetz soll die betriebliche Mitbestimmung an die neuen Konzernstrukturen und Beschäftigungsformen anpassen und Betriebsratswahlen erleichtern

von BEATE WILLMS

„Puh, es ist durch.“ Diesen Stoßseufzer konnte man von Koalitionspolitikern und Gewerkschaftern in dieser Woche immer wieder hören. Denn auch wenn Opposition und Unternehmerverbände gestern vor einem „schwarzen Freitag“ warnten, sollte der Verabschiedung des Gesetzentwurfs zur Reform der Betriebsverfasssung (BetrVG) heute im Bundestag nichts mehr im Weg stehen: Schon am Montag und Dienstag hatten SPD und Grüne sich auf letzte Änderungen verständigt. Der Bundesrat bekommt den Entwurf zwar noch vorgelegt, zustimmen muss er aber nicht. Damit könnte die Novelle zum 1. August in Kraft treten.

Ab dann können Betriebsräte einfacher und schneller gegründet werden. Sie vertreten einen größeren Teil der Beschäftigten, sollen bei Qualifizierungen stärker mitwirken und sich um Umweltschutz sowie Maßnahmen gegen Ausländerfeindlichkeit und für Gleichstellung kümmern dürfen. Sie selbst müssen quotiert sein (taz vom 20. 7.).

Eine qualitative Ausweitung der Mitbestimmung etwa bei Umweltfragen oder in obligatorischen Wirtschaftsausschüssen wird es nicht geben. DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer hatte zum Trost immer wieder darauf hingewiesen, dass betriebliche Mitbestimmung vor allem ein „Standortvorteil für die Unternehmen“ sei: Sie biete „Verhandlungsoptionen, wenn Lösungen für konfliktträchtige Verhandlungen gesucht werden“.

Zunächst noch weiter warten müssen Jugendliche in außer- und überbetrieblichen Bildungseinrichtungen, die im Osten ein Drittel der Auszubildenden ausmachen. Für sie wurde in der betrieblichen Mitbestimmung kein Platz gefunden. Stattdessen wollen SPD und Grüne parallel zum BetrVG einen Beschluss verabschieden. Ziel: die entsprechenden Mitwirkungsrechte umgehend im Berufsbildungsgesetz zu verankern.

Konkret soll der Betriebsrat in Firmen mit bis zu 50 Beschäftigten künftig in einem vereinfachten Verfahren in zwei Wahlversammlungen aufgestellt und gewählt werden. Das ist billiger, nicht so arbeitsaufwendig – und verkürzt die Zeit, in der die Unternehmensleitung versuchen kann, die Wahl zu verhindern. Auch in Betrieben mit 51 bis 100 Leuten kann das Schnellverfahren angewandt werden, wenn Wahlvorstand und Arbeitgeber mitspielen.

Weil Outsourcing in weiten Wirtschaftsbereichen dazu geführt hat, dass Unternehmen in viele Betriebe oder Filialen aufgesplittet wurden, soll es künftig möglich sein, betriebsübergreifend unternehmens- oder spartenweite Betriebsräte zu bilden. Bei Umstrukturierungen wie Abspaltungen oder Stilllegungen behält die Interessenvertretung ein Übergangs- oder Restmandat. Außerdem gehören nach der Reform auch Teleheimarbeiter zur Belegschaft. Sie werden also nicht nur vom Betriebsrat mit vertreten, sondern haben auch aktives und passives Wahlrecht bei der Betriebsratswahl. Leiharbeitnehmer, die länger als drei Monate im Betrieb sind, dürfen ebenfalls mitwählen.

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