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Der Klang, der aus dem Kürbis kam

Ein amerikanischer Animist: Der Instrumenterfinder Harry Partch war einer der Urväter der US-Avantgarde. Am Sonntag wäre er 100 geworden

„Seine Musik ist stachelig wie ein Kaktus und lieblich wie dessen Blüte“, beschrieb der US-Komponist Peter Garland das Werk des Sonderlings und Rebellen Harry Partch. Partch war einer der Urväter der amerikanischen Avantgarde: Als er 1974 starb, hinterließ er ein Lebenswerk von enormer Vielfalt und noch größerer Eigenständigkeit.

Mit 29 Jahren hatte er, in einem Akt der Reinigung, all seine frühen Kompositionen in einem Ofen verbrannt, um sich damit für immer aus den Armen der klassischen Musik zu befreien. Dieser Ofen wurde für Partch zu einer Art imaginärer Gedächtniskammer, wo er später immer wieder Ideen aus der Asche herausholte. Mit penibler Sorgfalt entwickelte er seine eigene musikalische-akustische Philosophie, und er baute die Instrumente selbst, die er für die Aufführung seiner Kompositionen mit seiner Hausband, dem Gate 5 Ensemble, benötigte. Im Laufe seines Lebens entstand so ein umfangreiches Arsenal an Klangerzeugern, das von Lamellophonen, der Marimba verwandt, über eine riesige Kithara-Leier bis zum Bambusxylophon Boo reichte.

Am 24. Juni 1901 war Partch in Kalifornien als Sohn von Missionaren zur Welt gekommen. Seine Eltern hatten, des Boxeraufstands wegen, ein Jahr zuvor China verlassen müssen. Die Kindheit verbrachte Partch in der Wüste von Arizona, doch übte Asien und dessen Kultur zeitlebens eine besondere Faszination auf ihn aus. Eher autodidaktisch erlernte er von seiner Mutter das Spiel auf einer Anzahl von Instrumenten, und mit 16 Jahren konnte man ihn zum Klavierüben ins örtliche Kino radeln sehen, während er daheim erste Stücke schrieb.

Nicht nur musikalisch war Partch ein Außenseiter: In den Jahren der großen Depression führte er das Leben eines Hobos und Herumtreibers, der als blinder Passagier auf Güterzügen durchs Land streunte, in Scheunen übernachtete und sich von Suppen aus Armenküchen ernährte. Später lebte er auf einem Hausboot in Sausalito.

Heute, 100 Jahre nach seiner Geburt, beziehen sich nicht nur Musiker wie Tom Waits auf den avantgardistischen Eigenbrötler. Auch für eine wachsende Gemeinde junger Komponisten gewinnt Partch an Bedeutung. Einer von ihnen ist der Amerikaner Dean Drummond. Er verwaltet seit 1990 als Kurator das riesige Arsenal der Partch’schen Instrumente. Auf Anregung des Jazztrompeters Don Ellis, bei dem er damals in die Lehre ging, hatte er Harry Partch Mitte der 60er in seinem Studio in Los Angeles besucht und war daraufhin sein Assistent geworden.

Partch sah sich selbst als amerikanischen Primitiven – als eine Art indianischen Schamanen, der in rituellen Auftritten einfachste Materialien zum Leben zu erwecken vermochte. Einem Stück Bambus oder einer Tierhaut, die er über einen Kürbis spannte, entlockte er die wundervollsten Klänge und gestaltete sie zu formschönen Skulpturen. „Er trank Musik, anstatt sie mit den Ohren aufzunehmen“, hatte Anaïs Nin über ihn geschrieben. Dies hätte ein treffendes Epitaph abgegeben.

CHRISTOPH WAGNER

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