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US-Aktionismus im Nahen Osten

Die anfängliche Zurückhaltung der Bush-Administration ist vorbei. Israels Ministerpräsident Scharon kommt erneut nach Washington, und der amerikanische Außenminister Powell eilt in die Krisenregion. Vom Siedlungsstopp ist nicht die Rede

aus Washington ELLY JUNGHANS

Am liebsten bliebe Colin Powell zu Hause. Seine bevorstehende Reise in den Nahen Osten passt nicht zu seiner Doktrin, dass nur ein hausgemachter Frieden zwischen Israel und den Palästinensern ein guter Frieden ist. Doch seit CIA-Chef George Tenet eine Waffenruhe im Nahen Osten vermittelte, steht auch der US-Außenminister unter Erfolgszwang. Zudem ist Gefahr im Verzug: Die US-Truppen in der Region wurden nach Attentatsdrohungen in Alarmbereitschaft versetzt.

Der Aktionismus, den US-Präsident George W. Bush neuerdings im Nahost-Konflikt an den Tag legt – vor Powells Reise nach Jerusalem empfängt er am Dienstag im Weißen Haus zum zweiten Mal den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon – hat mit seinem ursprünglichen Konzept nicht mehr viel gemein. Statt vornehme Distanz zu wahren, ist er ähnlich verstrickt wie Vorgänger Bill Clinton. Das sei normal, meint der Politologe Dennis Goldford von der Drake-Universität in Iowa. „Alle Präsidenten kommen mit der Absicht ins Amt, alle Möbel umzuräumen. Dann merken sie, dass es einen Grund gibt, warum die Möbel so und nicht anders stehen.“

Ursprünglich frönten Bush und Powell einer Spieltheorie der Nahostpolitik: Die Kleinen im Sandkasten disziplinieren sich gegenseitig, während die Eltern von der Terrasse aus zuschauen und Eisbecher an jene verteilen, die sich nach der Rauferei brav wieder vertragen. Nur im Notfall wollten Papa Bush und Mama Powell eingreifen, um die Streithähne zur Ordnung zu rufen. Inzwischen haben sie gemerkt, dass im Nahen Osten dauernd Not am Mann ist und US-Interessen unmittelbar gefährdet sind.

Die Gewalt in Israel und den Palästinensergebieten habe in der arabischen Welt erhebliche Besorgnis ausgelöst, sagte Powell am Wochenende im Interview. Die arabischen Staaten hofften darauf, dass die USA das Problem umgehend lösten, „aber so einfach ist das nicht“. Bevor die Gewalt nicht auf null zurückgehe, lasse Scharon nicht mit sich handeln. So fordert die Regierung in Jerusalem eine strikte zehntägige Waffenruhe durch die Palästinenser, bevor die so genannte Testphase des von den USA vorgeschlagenen Waffenstillstands beginnen soll. Powell soll nun auf den von Tenet vermittelten Vereinbarungen aufbauen, damit wieder ein Klima für Verhandlungen entsteht.

Obwohl die Waffenruhe wiederholt gebrochen wurde und die Beziehungen zwischen Scharon und Palästinenserpräsident Jassir Arafat zerrüttet sind, rechtfertigte Bush die Entsendung seines Außenministers mit der Aussicht auf den Beginn der Umsetzung des Mitchell-Berichts. Powell selbst äußerte sich wesentlich zurückhaltender. Eigentlich findet er die Mission verfrüht. Er sei der Ansicht, die Konfliktparteien müssten lernen, dass nicht jeder kleine Streit die Aufmerksamkeit eines US-Kabinettsmitglieds verdiene, hieß es aus dem State Department.

Bush wolle dabei helfen, das Umfeld zu befrieden, ohne die Parteien an den Verhandlungstisch zu zwingen, grenzte sein Sprecher Ari Fleischer die Nahostpolitik des US-Präsidenten von Clintons Linie ab. In der US-Presse erntete diese Darstellung höhnische Kommentare – geht doch der bisher einzige Erfolg der neuen Regierung auf den ehemaligen Clinton-Mitarbeiter Tenet zurück, der das Vertrauen sowohl der Palästinenser als auch der Israelis genießt. Der CIA-Chef werde auch künftig nur sparsam eingesetzt werden, sagte Powell. Kein Wort davon, dass Bush seinen Vorgänger als Vermittler zu Hilfe rufen könnte.

Auch zwei andere heiße Eisen im Nahostkonflikt fasste die neue US-Regierung bisher nicht an. Weder war die Rede davon, Bush werde einen Siedlungsstopp fordern, noch wurde Arafat die ersehnte Einladung ins Weiße Haus in Aussicht gestellt. Scharon, der mit Bush nach eigenen Angaben inzwischen per du ist, machte in einem Interview mit dem US-Nachrichtenmagazin Newsweek deutlich, dass der Palästinenserpräsident für ihn kein Gesprächspartner ist.

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