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Behaglich avanciert

Die Lorca-Oper „Bernarda Albas Haus“ von Aribert Reimann in der Komischen Oper

Ein richtig Großer ist Aribert Reimann nie geworden. Zum einen verdiente er sich jahrelang als Liedbegleiter, ein Fach, das noch selten einen Superstar abgeworfen hat. Als Komponist bediente der gebürtige Berliner hingegen ein Genre, das nach 1950 fürchterlich zu miefen begann: die Oper. Sie wurde zum Problem, weil die Gattung mit ihrem aufgeplusterten Ausdrucksideal und ihren banalen, eindimensionalen Erzählstrukturen ziemlich am Ende war. Erst als sich in den Achtzigerjahren das experimentelle Musiktheater durchsetzte, wurde die Opernbühne rehabilitiert. Reimanns Opern der Sechziger- und Siebzigerjahre hingegen, sein „Traumspiel“ oder sein „Lear“, mussten, allem Erfolg zum Trotz, der Musikgeschichte als Opera dubiosa gelten.

Am Sonntagabend aber durfte sich Aribert Reimann als Meister feiern lassen. Das Publikum der Komischen Oper ehrte einen Komponisten, der, um eine Plattitüde zu strapazieren, immer an die Gattung Oper geglaubt hat. Der Applaus galt aber auch einem Komponisten, der in den zwei vorangegangenen Stunden vorgeführt hatte, wie man ein musiksprachlich avanciertes, von Unbehagen durchsetztes Drama zeitgemäß ins Werk setzt, ohne die Spielregeln des Metiers grundlegend zu verletzen. Das Stück ist „Bernarda Albas Haus“ nach einem Schauspiel von Federico García Lorca, das, vergangenen Oktober in München uraufgeführt, jetzt seine Berliner Premiere erlebte.

Es ist der eng geschnürte Gürtel verordneter Trauer, den die Witwe Bernarda Alba um sich und ihre fünf Töchter schnallt, mit dem Lorca die fragile Situation der Protagonisten freipresst. Kein Mann betritt in diesem Stück die Bühne, auch wenn das sexuelle Aufbegehren der Töchter die beklemmende Szenerie hintergründig antreibt. Am Ende, nachdem sich die jüngste Tochter unter dem repressiven Korsett erhängt hat, erliegt die Handlung schließlich dem verordneten Schweigen der Mutter, zerläuft die ins Unerträgliche gesteigerte Spannung schließlich, ohne einen Moment der Befreiung auch nur zu suggerieren, in wenigen verebbenden Tönen. Eine Oper, die sich ausblendet – das hat man selten gehört. Nicht nur mit diesem Schluss ist es Reimann gelungen, seine Musik als unentbehrlichen, weil organisch hinzugewachsenen Bestandteil des Dramas zu komponieren.

Wie ein stotternder Motor stampfen die rastlosen Klänge von vier präparierten Klavieren aus dem Graben; die fahlen Streicher- und Bläserklänge wirken bestenfalls wie eine Erinnerung an Musik. Allein in den beiden Zwischenspielen erhebt sich Reimann über die Handlung, um die Katastrophe mit eigenen, bloß musikalischen Mitteln zu schildern. Auch der Gesang wird selten, jeweils zum ruhenden Beginn des zweiten und des dritten Aktes, als Gesang verständlich.

Ansonsten ist es gedrungene, erhitzte Rede mit einem Duktus, der kaum Entfaltung zulässt, der den Sängerinnen immer die eine Anstrengung zu viel abverlangt, um eine Phrase redlich zu Ende zu führen. BJÖRN GOTTSTEIN

Weitere Aufführungen: 27., 29. 6. und 11. 7., jeweils 19 Uhr, Komische Oper, Behrensstr. 55–57, Mitte

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