: Die Kuh will nicht mehr fliegen
Der SV Meppen galt über Jahre hinweg als Synonym für Zweitklassigkeit. Jetzt steht der Verein vor der Pleite
MEPPEN taz ■ Sommerzeit ist Untergangszeit. Das gilt jedenfalls zunehmend für Fußballvereine aus der 3. und 4. Liga, die außer einem klangvollen Namen nicht mehr viel vorzuweisen haben. Lizenzen werden entzogen und Insolvenzanträge gestellt, weil der Spielbetrieb wenig einbringt, aber viel kostet – erst recht, wenn man das Risiko eingehen will oder muss, wieder nach oben zu kommen. Erwischt hat es nun auch den niedersächsischen Oberligisten SV Meppen. Die bekannteste Institution des Emslandes, von 1987 bis 1998 in der 2. Liga vertreten, hat beim Amtsgericht die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt, denn den Club belasten mittlerweile fast drei Millionen Mark Schulden.
Sie stammen aus der Zeit, als der SVM noch im Profifußball mitmischte. Der Club aus der 33.000-Einwohner-Stadt hofft nun darauf, dass das Insolvenzverfahren vor dem 1. Juli eröffnet wird. „Sonst dürften wir zwar in der Oberliga antreten, stünden aber automatisch als Absteiger fest. Das hieße, wir hätten 34 Freundschaftsspiele“, stöhnt Horst Feldmann, der die Geschäftsstelle des Clubs leitet. Darüber hinaus wäre man froh, wenn sich die Gläubiger ähnlich generös zeigten wie die des Liga-Konkurrenten TuS Celle FC, die sich erst letzten Freitag damit einverstanden erklärten, mit dem Erhalt von zwischen drei und fünf Prozent der ihnen zustehenden Summen zufrieden zu sein.
Die Entwicklung ist für Außenstehende ein kleiner Schock, denn Meppen stand jahrelang für Solidität: Stets wurde sparsam gewirtschaftet, und vor Saisonbeginn war immer nur vom Klassenerhalt die Rede. Der SV Meppen war eine graue Maus, aber vielleicht die netteste der Fußball-Republik. Lautsprecher des Fußballbetriebs, etwa Toni Schumacher oder Werner Lorant, tönten indes, niemals respektive nie wieder nach Meppen fahren zu wollen.
„Meppen ist für andere Vereine das, was für Journalisten die Praline, für Schauspieler ein Engagement in Eisenhüttenstadt und für Politiker der PDS eine Kandidatur in Passau ist: Ein Synonym für Horror“, schreibt Michael Jürgs, Autor von Bestseller-Biografien über Axel Springer und Romy Schneider. Die Meppener selbst pflegten ihren Ruf als provinzielle Exoten, da passte es gut ins Bild, dass sich Fanclubs Namen gaben wie „Da fliegt die Kuh“.
Das Image vom drolligen Underdog ist jetzt passé. Seit dem Abstieg aus der 2. Liga befindet sich der Club im freien Fall. „Wir haben den Fehler gemacht, den die meisten gemacht haben: auf den sportlichen Erfolg gesetzt. Und der ist drei Jahre hintereinander ausgeblieben“, sagt Franz Quatmann, der seit 1998 als Präsident amtiert. Die Krise des SV Meppen zieht bereits Kreise über den Sport hinaus. Die Stadt Meppen muss möglicherweise einen Kredit aufnehmen, weil sie im vergangenen Jahr für eine Anleihe von 2,2 Millionen Mark gebürgt hat, die der Verein voll in Anspruch genommen hat: Sie verpflichtete sich seinerzeit, für den selben Preis das Vereinsgebäude am Emsland-Stadion zu übernehmen, falls dieses zwangsversteigert wird. Trainer Alfons Weusthof weiß derzeit „beim besten Willen nicht“, welches Gesicht die Mannschaft in der kommenden Saison haben wird. Sicherlich kann es unter den derzeitigen Bedingungen nur um den Klassenerhalt gehen. RENÉ MARTENS
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