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Giftgas und Aids-Blutbeutel

Italiens Geheimdienste lancieren Horrormeldungen, Medien malen grausige Szenarien: Genua wird zum G-8-Gipfel der wichtigsten Industrienationen am 20. Juli abgeriegelt. Demo-Zone ist vor der Stadt

ROM taz ■ G-8-Gipfel Genua: Versprengte, von ihren Einheiten abgetrennte Polizisten werden von vermummten Demonstranten als Geiseln genommen. Dann marschiert der schwarze Block auf die Polizeikette zu – und er treibt die uniformierten Geiseln als menschliche Schutzschilde vor sich her, während aus der zweiten Reihe Steine und Brandsätze fliegen.

Ein krudes Horrorszenario – ein Horrorszenario mit offiziellem Gütesiegel allerdings. Italiens Inlandsgeheimdienst Sisde verbreitete Ende letzter Woche die Warnung vor der angeblich anstehenden terroristischen Eskalation, geplant angeblich von den „tute bianche“, der Bewegung der „Weißen Overalls“, aus den autonomen Zentren des Veneto unter ihrem Anführer Luca Casarini.

Mit dieser Masche werden Italiens Zeitungsleser seit Wochen bei Laune gehalten. Mal wird aus „deutschen Geheimdienstquellen“ die Meldung lanciert, Bin Laden werde Kleinstflugzeuge mit Giftgas zum Bombardement des Gipfels einsetzen, dann werden Demonstranten „erwartet“, die statt Mollis mit Aids-Blut gefüllte Beutel im Gepäck haben sollen.

Ein Ziel ist damit auf jeden Fall erreicht. Die beispiellosen Sicherheitsmaßnahmen in und um Genua bekommen das Gütesiegel unverbrüchlicher Notwendigkeit. Während der Gipfeltage wird die „rote Zone“ des Zentrums selbst für Genuesen zur verbotenen Stadt. Nur wer in der Innenstadt lebt oder arbeitet, erhält einen Passierschein. Ergänzt wird diese Maßnahme voraussichtlich durch die mehrtägige Totalsperrung der städtischen Bahnhöfe und des Hafens.

Draußen vor der Stadt darf demonstriert werden – auch die Regierung Berlusconi unterstreicht immer wieder ihre Dialogbereitschaft mit den friedlichen Protestierern. Drei Millionen Mark will der Staat zu deren Unterbringung in Schulen und auf Sportplätzen bereitstellen, und als Zückerchen für die Umwelt-, die Friedens-, die Dritte-Welt-Gruppen denkt das Außenministerium sogar über einen Vor-Gipfel nach, auf dem sich dann statt der Mächtigsten die Ärmsten der Welt treffen dürfen, möglichst unter Beteiligung Nelson Mandelas.

Doch der Dialog will nicht so recht in Gang kommen. Weiterhin nämlich besteht das Genua Social Forum – der Koordinationsrat der Protestfront – auf dem Demonstrationsrecht auch in der Stadt. Das sei schließlich in der Verfassung verbürgt, ohne jeden einschränkenden Zusatz wie „nicht während G-8-Gipfeln“ und „nicht in Genua“.

MICHAEL BRAUN

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