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Amtszeit macht frei

Weil er Regierungschef Italiens ist, wird Silvio Berlusconi nicht wegen Bestechung von Richtern angeklagt

ROM taz ■ Erneut darf sich Silvio Berlusconi über das Ende eines gegen ihn laufenden Korruptionsverfahrens freuen. Am Montag verfügte das Appellationsgericht von Mailand die Einstellung des Prozesses gegen den italienischen Ministerpräsidenten, der der Richterbestechung beschuldigt war. Erneut aber auch erhielt Berlusconi einen Freispruch dritter Klasse. In keiner Zeile des Beschlusses ist von seiner Unschuld die Rede. Im Gegenteil: Die Mailänder Richter halten die Verdachtsmomente für so stichhaltig, dass es zu einem Prozess gegen alle Mitangeklagten Berlusconis kommen wird – nur eben nicht gegen ihn selbst.

Die Geschichte, die demnächst im Gerichtssaal aufgerollt wird, spielte sich vor zehn Jahren ab. Damals riss sich Silvio Berlusconi den größten Buch- und Zeitschriftenverlag Italiens, die Mondadori, unter den Nagel. Das Vorkaufsrecht auf die Gesellschafteranteile der Mondadori-Erben hatte nach allen Verträgen eigentlich ein anderer: der Unternehmer und Berlusconi-Feind Carlo De Benedetti. Doch der ging dank eines Urteils des römischen Richters Vittorio Metta leer aus.

Dem Urteil wurde angeblich nachgeholfen: Über seinen Rechtsanwalt und Intimus Cesare Previti soll Berlusconi Vittorio Metta mit 400.000 Mark geschmiert haben. Auf jeden Fall hatte Berlusconi nach dessen Urteil eine neue Firma, und Metta hatte nicht nur eine neue Villa, sondern auch einen neuen Job: Er quittierte den Staatsdienst und heuerte als Sozius in der Kanzlei des Berlusconi-Anwalts Previti an.

Previti, Metta und zwei weiteren an der vermuteten Bestechungsaktion beteiligten Advokaten wird deshalb ab Oktober der Prozess gemacht. Ausgerechnet der Hauptprofiteur der Mondadori-Übernahme aber, Silvio Berlusconi, ist schon raus. Er verdankt die Verfahrenseinstellung einer Besonderheit des italienischen Rechts: Verjährungsfristen richten sich auch danach, ob dem Angeklagten mildernde Umstände zugebilligt werden oder nicht. Und das Mailänder Appellationsgericht sah für Berlusconi solche Umstände gegeben, womit die Verjährungsfrist auf siebeneinhalb Jahre zusammenschnurrte.

Erstens sei es an den Gerichten Roms vor zehn Jahren gang und gäbe gewesen, Richter zu schmieren, so der jetzt gefällte Entscheid. Zweitens aber habe das Gericht auch „die aktuellen individuellen und gesellschaftlichen Lebensumstände (des Angeklagten) in Rechnung zu stellen, deren objektives Gewicht allein schon die Billigung mildernder Umstände rechtfertigt“.

Im Klartext: Herr Ministerpräsident genießt kraft Amtes einen Bonus. Anderswo enden politische Karrieren, wenn Gerichte Korruptionsverfahren einleiten. In Italien hingegen enden Korruptionsermittlungen, wenn der Betroffene sich als Regierungschef resozialisiert.

MICHAEL BRAUN

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