: Trimble hofft auf ein Wunder
Nordirlands Premier will am Sonntag zurücktreten, wenn die IRA bis dahin ihre Waffen nicht abgegeben hat. Auch wenn die Gewalt nicht eskaliert, gibt es keinen Frieden
DUBLIN taz ■ Wenn kein Wunder geschieht, wird Unionistenchef David Trimble am Sonntag als nordirischer Premierminister zurücktreten. Das Wunder, auf das er wartet, ist die Abrüstung der Irisch-Republikanischen Armee (IRA). Doch die hat keineswegs die Absicht, ihre Waffen abzugeben, solange sich die britische Armee nicht aus Nordirland zurückgezogen hat und die fast ausschließlich protestantische Polizei nicht reformiert ist.
Was nach Trimbles Rücktritt passiert, ist ungewiss. Seine Opponenten in der eigenen Ulster Unionist Party (UUP) – und das ist die Mehrheit – würden ihn am liebsten durch jemanden ersetzen, der gegen das Belfaster Abkommen vom Karfreitag 1998 ist, das der britischen Krisenprovinz eine Mehrparteienregierung mit Beteiligung der IRA-Partei Sinn Féin beschert hat. Zwar hat man Trimble vorigen Samstag als Parteiführer wiedergewählt, doch es ist nur eine Galgenfrist.
Der führende Abkommensgegner Jeffrey Donaldson drohte, wenn die IRA nicht bald abrüste, werde man im August einen Sonderparteitag einberufen und die UUP-Taktik überdenken. Donaldson würde Trimble gerne beerben, aber da er nicht im nordirischen Regionalparlament sitzt, kann er nicht Premier werden. Wahrscheinlicher ist daher eine Zwischenlösung: Donaldson wird Fraktionsführer der UUP-Abgeordneten im Londoner Unterhaus, sein Parteikollege Reg Empey wird Premierminister in Belfast. Wenn Donaldson später ins Belfaster Parlament gewählt wird, übernimmt er Empeys Job – und legt das Belfaster Abkommen auf Eis.
Die Regierungen in London und Dublin wollen dagegen unter allen Umständen verhindern, dass das nordirische Parlament und die anderen Institutionen, die aufgrund des Belfaster Abkommens eingerichtet worden sind, wieder abgeschafft werden müssen. Das möchte der Chef der Democratic Unionist Party (DUP), der Protestantenpfarrer Ian Paisley. Er hat den UUP-Abgeordneten angeboten, seine Abgeordneten aus dem Regionalparlament abzuziehen, falls die UUP-Abgeordneten ebenfalls zurücktreten würden. Damit wäre das Abkommen erledigt.
Das hieße freilich nicht, dass dann der Krieg wieder eskaliert. Von Frieden kann in Nordirland allerdings keine Rede sein, nicht mal von einem Waffenstillstand. Die Konfrontationen vorige Woche im Ardoyne-Viertel von Belfast zwischen Protestanten und der Polizei – die Katholiken waren von der IRA zurückgepfiffen worden – haben nur deshalb überregional Schlagzeilen gemacht, weil sie sich über mehrere Tage hinzogen und weil seit Monaten mal wieder eine Bombe gezündet wurde. Zu gewalttätigen Zwischenfällen, zu Strafaktionen gegen Kleinkriminelle und zu Vertreibungen von Katholiken aus protestantischen Vierteln kommt es aber täglich, wobei sich vor allem die protestantisch-loyalistische Ulster Defence Association (UDA) hervortut.
Am Montag ist ein Mann gestorben, der von der UDA nur deshalb als Opfer auserkoren wurde, weil er Katholik war. Offiziell befindet sich die UDA im Waffenstillstand, doch der Begriff ist in Nordirland dehnbar. Der britische Nordirlandminister John Reid sieht jedenfalls bisher keinen Grund, die UDA-Waffenruhe anzuzweifeln.
Keine Gefahr geht von der IRA aus, auch wenn sie das umfangreichste Waffenlager besitzt. Angeblich steckt die Organisation hinter dem Raub von mehreren Millionen Zigaretten aus dem Belfaster Hafen, doch ihr politischer Flügel Sinn Féin ist bei den Unterhauswahlen Anfang des Monats zum ersten Mal stärkste Partei auf katholischer Seite geworden. Eine Wiederaufnahme des bewaffneten Kampfes würde die Wahlerfolge zunichte machen. Doch die Regierungen in London und Dublin werden zunehmend ungeduldig mit Sinn Féin und schlagen härtere Töne an.
Vor allem die irische Regierungspartei Fianna Fáil, die „Soldaten des Schicksals“, wird die Geister, die sie rief, nicht mehr los. Da hat sie jahrelang hinter den Kulissen mit Sinn Féin verhandelt, um die Partei in die konstitutionelle Politik einzubinden, und nun ist die dabei so erfolgreich, dass sie Fianna Fáils Wahlchancen in der Republik Irland beeinträchtigt und sich darüber hinaus erfolgreich für ein Nein im Referendum über den EU-Vertrag von Nizza eingesetzt hat.
RALF SOTSCHECK
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