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Menschlichkeit nach Feierabend

Diakonisches Werk schlägt Alarm: An der Pflegeversicherung muss sich dringend etwas ändern  ■ Von Sandra Wilsdorf

Angela Wulf ist Altenpflegerin im Seefahreraltenheim „Fallen Anker“ in Othmarschen und erzählt aus ihrem Alltag. Von einem Bewohner, der körperlich fit, aber geistig verwirrt ist. „Er lässt niemanden an sich heran, Körperpflege ist nur mit zwei bis drei Pflegekräften möglich.“ Wenn er zur Toilette geht, beschmiert er sich und das Drumherum. Zeitweise kann er essen und trinken, aber er würde es nicht tun, wenn eine Pflegekraft ihn nicht anleiten würde. „Ohne Hilfe würde er verhungern und verdurs-ten“, sagt Wulf. Die Pflegeversicherung interessiert sich für das alles nicht. Die beurteilt nur den körperlichen Zustand und ordnet den Demenz-Kranken einer geringen Pflegestufe zu.

Genau das nennt Stefan Rehm, Finanz- und Personalvorstand des Diakonischen Werkes, einen „grundsätzlichen Fehler“. Fünf Jahre ist die Pflegeversicherung jetzt alt, und es gibt noch mehr Kritik: Weil die Menschen so lange es geht zu Hause gepflegt werden, sind die Heimbewohner älter und kränker als früher. Der Personalschlüssel ist aber derselbe geblieben.

Dabei hat sich beispielsweise der Verwaltungsaufwand vervielfacht. Für jeden Patienten wird täglich dokumentiert, wie es ihm geht und was mit ihm gemacht wurde. „Das dauert pro Bewohner täglich etwa 15 Minuten“, berichtet Altenpflegerin Heike Weinrich. Dazu kommen bei den zwei Übergaben weitere 15 Minuten Fallbesprechung pro Patienten. Zieht man das von den durchschnittlich 76 Minuten ab, die jedem Bewohner an Pflege zustehen, bleiben für die eigentlichen Aufgaben noch ganze 46 Minuten. „Die Dokumentation ist an sich positiv, weil sie die Qualität hebt, aber sie wird im Personalschlüssel nicht berücksichtigt.“

Ein weiteres Problem: Während einem Rollstuhlfahrer, der zu Hause lebt, selbstverständlich die Krankenkasse einen Rollstuhl bezahlt, tut sie das bei Heimbewohnern nicht. Hier muss die Einrichtung die Stühle stellen. Gleiches gilt für spezielle Matrazen, die Druckgeschwüre verhindern sollen. Auch die gesamte Behandlungspflege, beispielsweise das Wechseln von Verbänden, Spritzen und Medikamentenvergabe wird nicht vergütet.

Die Folge: „Soziale Betreuung geht nur noch, wenn die Mitarbeiter es irgendwie ermöglichen.“ Viele machen die Dokumentation nach Feierabend. „Und das, wo das doch unser Schwerpunkt als diakonische Einrichtung ist“, klagt Hanns-Joachim Lukas-Koch, Geschäftsführer der Diakonie-Stiftung Alt-Hamburg. Die Diakonie fordert, die durchschnittliche Pflegezeit je Bewohner um dreieinhalb Minuten zu erhöhen, das würde für das Heim „Fallen Anker“ zweieinhalb zusätzliche Stellen bedeuten. Aber die Forderungen laufen seit drei Jahren ins Leere.

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