: New Yorker Tyrannei
Nirgendwo sonst auf der Welt wird in aller Öffentlichkeit so heftig und so leidenschaftlich über die Intimsphäre von Politikern debattiert wie in den Vereinigten Staaten. Denn die Amtsträger, so die einhellige Meinung, erfüllen mit ihrem Privatleben eine wichtige Vorbildfunktion.
Anfang 1998 kam es mit der Clinton-Lewinsky-Affäre zum ersten großen Sexskandal, der den Präsidenten fast das Amt gekostet hätte. Sogar die intimsten sexuellen Details wurden ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt, vom Oralsex bis zu bizarren Spielen mit einer Zigarre.
Fast ein ganzes Jahr lang war das Thema ein Dauerbrenner in den Klatschspalten – sehr zum Ärger des prüden Amerikas, das nicht als moralischer Sieger aus der Affäre hervorging.
Mit George W. Bush, dem Clinton-Nachfolger, sollte die sittliche Erneuerung endlich wahr gemacht werden. Im April kolportierten um Diskretion wenig bemühte US-Zeitungen, dass die beiden Zwillingstöchter des Präsidenten, Barbara und Jenny, neunzehn Jahre, ein Alkoholproblem hätten und sogar Marihuana nicht abgeneigt seien. Beide kamen wiederholt mit dem Gesetz in Konflikt, weil sie sich mit gefälschten Papieren Alkohol verschaffen wollten.
Auch der republikanische Bürgermeister von New York, Rudolph Giuliani, 56, gerät nicht mehr aus den Schlagzeilen. Vor wenigen Jahren hatte sich dieser weltweit einen Namen als radikaler Saubermann im Kampf gegen Drogen, Sex und Kriminalität („Zero Tolerance“) gemacht. Doch jetzt wäscht Giuliani öffentlich schmutzige Wäsche.
Es begann damit, dass Giuliani im Mai 2000 über seinen Rechtsanwalt die Trennung von seiner Frau Donna Hanover, 51, nach achtzehn Jahren Ehe bekannt geben ließ – ohne sich mit ihr zuvor abzusprechen. Von da an wurde der Kampf um die Scheidung öffentlich ausgetragen – und zwar in allen Einzelheiten.
Zu einer Eskalation im New Yorker Rosenkrieg kam es im Mai dieses Jahres. Ausgerechnet am Muttertag warf Giuliani seiner Nochehefrau in aller Öffentlichkeit vor, sie kümmere sich nicht um die gemeinsamen Kinder und schreie andauernd „wie eine abgestochene Sau“.
Doch die New Yorker First Lady ließ sich das nicht gefallen, und nachdem die Nachricht von Giulianis Prostatakrebserkrankung bekannt wurde, giftete sie: „Daran ist sicher sein hoher Hormonspiegel schuld!“
Giuliani wiederum leistet sich schon seit geraumer Zeit eine Geliebte, die ihm laut eigenen Angaben während seiner Krebserkrankung beigestanden hat, und natürlich sei auch kein Ehebruch vorgefallen, da er durch die ärztliche Behandlung „vorübergehend impotent“ sei. Nicht einmal Viagra könne ihm mehr helfen, kolportierte das Boulevardblatt New York Post.
Auch die eigentlich dem Tratsch eher distanziert gegenüberstehende New York Times ließ es sich nicht nehmen, alle Details der Komödie zu berichten. Doch irgendwann schien das Maß voll zu sein. Im Juni kam das Blatt zu dem Schluss: „Nun wissen wir wirklich mehr über Bürgermeister Rudolph Giulianis Sexleben, als uns lieb ist.“ AXEL KRÄMER
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