: Streit um späten Abbruch
CDU/CSU will in einem neuen Gesetzesantrag zum Paragraf 218 Spätabtreibungen erschweren. Behinderung allein sei „keine Gefahr“ für die Mutter. SPD wendet sich gegen Veränderungen. Über „pränatale Diagnostik“ soll aber nachgedacht werden
von STEPHANIE VON OPPEN
„Um Gottes willen keine neue Paragraf-218-Debatte.“ So kommentierte spontan eine Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion den Gesetzesantrag der CDU/CSU zur „Vermeidung von Spätabtreibungen – Hilfen für Eltern und Kinder“. In dem Gesetzesantrag sind eine Reihe von flankierenden Maßnahmen aufgeführt, die Eltern und Ärzten durch bessere Beratungen eine abgewogenere Entscheidung ermöglichen sollen, wenn ein später Schwangerschaftsabbruch zur Debatte steht. Ziel soll sein, die Zahl der Spätabtreibungen zurückzudrängen, heißt es in dem Antrag, der am Dienstag von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion beschlossen wurde und bald im Bundestag beraten werden soll.
Seit 1995 dürfen Frauen in der Bundesrepublik innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate straffrei abtreiben. Aber auch danach sind Abtreibungen bis praktisch zur Geburt des Kindes möglich. Voraussetzung für eine solche Spätabtreibung ist nach Paragraf 218a des Strafgesetzbuches, dass der Frau „eine Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes“ droht. Dabei ist unter anderem durch das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass eine festgestellte mögliche Behinderung des Kindes Grund genug sein kann, die Frau in ihrer psychischen Gesundheit zu gefährden.
An diesem Punkt will die CDU/CSU nun ansetzen und den Paragraf 218 um folgende Formulierung ergänzen: „Ein embryopathischer Befund allein ist keine Gefahr für die Mutter im Sinne von Paragraf 218, Absatz 2, Satz 1.“ Für die SPD-Abgeordnete Margot von Renesse, Vorsitzende der Enquetekommission für Recht und Ethik in der modernen Medizin, unterstellt ein solcher Zusatz, dass Eltern im Fall einer medizinischen Indikation bisher zu leichtfertig abgetrieben hätten. Dies aber sei nicht der Fall, betonte von Renesse. Bei Kindern, deren Abtreibung nach den ersten drei Monaten Schwangerschaft zur Disposition stünde, handele es sich mit Sicherheit um Wunschkinder.
Eine Verschärfung des Paragrafen 218 sei somit „die falsche Form der Gewahrsamnahme“, so Renesse. Für die Eltern sei eine Entscheidung über Leben und Tod des Kindes schmerzhaft genug, da sei es falsch, zusätzliche Druckmittel einzubauen.
Ein umfangreicheres Beratungsangebot für Eltern und Ärzte befürwortet Renesse hingegen. Über die gesamte Pränataldiagnostik müsse „neu nachgedacht werden“.
Drastischer äußerte sich Monika Knoche, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, gegenüber der taz: „Pränataldiagnostik ist die Suche nach eugenischen Merkmalen in der Schwangerschaft.“
Derzeit arbeiten auch Grüne und SPD an einem Gesetzentwurf zu pränatalen Diagnostik. Darin soll auch die Diskussion über die Präimplantationsdiagnostik (PID) berücksichtigt werden. Die ethische Einordnung der PID bereite noch große Schwierigkeiten, erklärte von Renesse.
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