: „Lücken schließen“
Grünen-Chefin Claudia Roth über Möglichkeiten des Konsenses mit SPD und CDU und den Status von Opfern nichtstaatlicher Verfolgung
taz: Frau Roth, Ihre CDU-Chefkollegin Merkel ist „sehr skeptisch“, dass es zu einem Konsens bei der Zuwanderung kommen wird. Wie ist Ihr Gefühl?
Claudia Roth: Schwierig zu sagen. Die CDU hat offenbar Angst vor der Courage ihres eigenen Zuwanderungsexperten Peter Müller. Der sagt zum Beispiel, Opfer nichtstaatlicher Verfolgung sollten besser geschützt werden. Und nun sagt Merkel, mit ihr komme die Ausweitung der Schutzgründe nicht in Frage. Es ist nötig, dass die Union klärt, was sie will.
Was genau wollen Sie erreichen?
Wir schlagen vor, das Ausländerrecht zu präzisieren und explizit darzustellen, dass unter den Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) auch nichtstaatliche Verfolgung fällt. So wie in allen anderen europäischen Ländern. Afghanische Frauen sind objektiv entrechtet, objektiv Verfolgte.
Bitte ganz konkret: Welchen Status sollen sie bekommen?
Den gleichen Status wie GFK-Flüchtlinge, das heißt die Möglichkeit der Integration und Arbeitszugang. Damit würde endlich der Status der Duldung überwunden. Was wir brauchen, ist sehr viel mehr als reiner Abschiebeschutz.
Mehr scheint aber auch mit Otto Schily nicht drin zu sein . . .
Schily ist nicht die SPD. Ich bin gespannt, was die SPD endgültig beschließen wird. Und ich hoffe, dass sie sich an dem orientiert, was Herbert Wehner einmal gesagt hat, als er seine Attacke gegen das Laue in der SPD ritt.
Was muss mindestens passieren, damit Sie einem Konsens zustimmen?
Besserer Schutz für nichtstaatlich Verfolgte ist ein grünes Essential. Das Einfachste wäre eine Präzisierung des Ausländerrechts. Ob es auch andere Maßnahmen gibt, muss man verhandeln.
Würden Sie wegen dieses Punkts einen Kompromiss platzen lassen?
Für uns ist es ein Essential. Auch in der Süssmuth-Empfehlung steht, dass es Schutzlücken gibt, also ist es unsere Aufgabe, diese Lücken zu schließen.
Das wird schwierig genug. Halten Sie es für sinnvoll, dass Cem Özdemir sagt, auch das Staatsbürgerschaftsrecht müsse reformiert werden?
Ich würde sagen „erweitern und verbessern“: erleichterte Kindereinwanderung und Mehrstaatlichkeit auch für die erste Einwanderer-Generation. Das sollte man sich für die Zukunft vornehmen.
. . . und im Wahlkampf ansprechen?
Ja, ich finde, schon. Aber damit muss verantwortlich umgegangen werden. Wenn jetzt schon wieder die Hämmer kommen von der CDU, dann merke ich, dass es ihr nicht um einen Konsens geht, sondern um eine doppelbödige Strategie. INTERVIEW: LUKAS WALLRAFF
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