: Endlich Vitamine pur
Wie aus Ökos Angreifer der indianischen Integrität werden: Der Dokumentarfilm „Makah – Die den Wal fangen“
Wenn Tiere beim Menschen starke Emotionen erzeugen, wird es leicht etwas hitzig. Der Walfang und die gnadenlose Abschlachtung der Säuger, die fast alle lieben, hat jahrelang Schlagzeilen produziert. Für Wale sein ist einfach. Für die Rechte der amerikanischen Ureinwohner ebenfalls. Nur wenn ein Volk wie die Makah plötzlich – nach über 70 Jahren Unterbrechung – den Walfang wieder aufnehmen will, werden aus Ökoaktivisten Angreifer der indianischen Integrität. Ralf Marschalleck hat den Konflikt zwischen Makah und Walfanggegnern über Jahre beobachtet. Behutsam fängt sein Kameramann Lars Barthel die Atmosphäre im Makah-Reservat ein. Eine ältere Frau muss sich von einem Teenie einen Satz in die Indianersprache übersetzen lassen. Jahrzehnte war es bei Strafandrohung verboten, die traditionelle Sprache zu pflegen. Den Walfang haben die Makah, so erklären sie, freiwillig aufgegeben. Irgendwann gab es so wenige Grauwale vor ihrer Küste, dass die Jagd nicht mehr lohnte. Die Walbestände sollten sich regenerieren. Das ist nun geschehen.
Unter Clinton wurden die Rechte der Indianer ernster als unter den Konservativen genommen. Und so erstritten die Makah das Walfangrecht zurück, das ihnen in einem 1855 geschlossenen Reservationsvertrag zugestanden worden war. Gerade einmal fünf Wale wurden den Makah genehmigt. Sie selbst haben den Walfang längst verlernt. Und so müssen sie Kanus schnitzen und Harpunen besorgen.
Die Kamera beobachtet den Hubschraubertransport eines Kanus, und ein alter Mann sagt, er habe auch nicht geglaubt, im Leben einmal ein fliegendes Boot zu sehen. Marschalleck nimmt nur sehr vorsichtig Partei. Seine Sympathien sind bei den Makah. Die Umweltschützer argumentieren aggressiv, und ein wenig wirken sie wie in einem Krieg gegen die Rothäute, wenn sie mit ihren Schnellbooten versuchen, die Walfänger zu behindern.
Einer erzählt stolz in der Gischt an Bord, wie ihm eine Welle die Schneidezähne ausschlug. Walschützer – die letzten Helden! Eigentlich geht es den Ökos nicht primär um die fünf Makah-Wale. Ihre Hauptgegner sind die Internationale Walfangkommission und die Walfangländer Japan, Norwegen und Island. Wenn die indigenen Völker weltweit den Fang wieder aufnehmen, dann beanspruchen auch die Walmörder aus Japan dieses Recht.
Die Filmemacher dokumentieren einen merkwürdigen Kleinkrieg auf See. Dabei schaffen es die Makah am Ende doch noch, einen einzigen Wal zu erlegen. In einer großen Zeremonie zerlegen und essen sie und ihre Freunde das Tier – endlich einmal müssen sie sich die Vitamine nicht per Pille aus der Apotheke besorgen, wie eine Makah berichtet. Wir aber überlegen, ob Umweltschutz manchmal nicht zu sehr die Rechte der Umwelt über die von ganz gewöhnlichen Menschen stellt. ANDREAS BECKER
„Makah – Die den Wal fangen“. Regie: Ralf Marschalleck, Dokumentarfilm, D 2000, OmU, 117 Min. (siehe cinema-taz)
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