piwik no script img

Abfahrt vom Abstellgleis

„Chancen für 50plus“: Von 19 Teilnehmern haben 16 einen Job. Die meisten von ihnen nach vielen Jahren Arbeitslosigkeit  ■ Von Sandra Wilsdorf

„Ach ja“, hat er so gedacht, „noch eine Trainingsmaßnahme“. Mal sehen, was da rauskommt. „Schließlich sind wir über 50, alte Leute für den Arbeitsmarkt“, erzählt Fridrich Hildebrandt. Und jeder hatte schon so seine Erfahrungen gemacht mit den erzwungenen Weiterbildungen des Arbeitsamtes. Aber diesmal tat er es freiwillig. Und mit der Zeit kam die Motivation. Denn es gab Arbeitgeber, die sich extra aufmachten, um die Kursteilnehmer kennen zu lernen. Die wirklich Interesse an ihnen hatten. „Ja, und jetzt habe ich einen Arbeitsplatz“, sagt Hildebrandt, als könne er es selbst noch nicht glauben. Er arbeitet in der Zentrale eines Taxiunternehmens am Flughafen und spricht für sich und seine Kollegen, wenn er sagt: „Das Selbstwertgefühl ist enorm gestiegen.“

Denn der erste Durchgang des Projektes „afg-train – Chancen für 50plus“ war außerordentlich erfolgreich: Von den 19 Teilnehmern haben nach Abschluss des dreimonatigen Kurses 16 einen Arbeitsplatz im Bereich Service und Sicherheit bei Hamburger Unternehmen gefunden. Im Durchschnitt hatte jeder von ihnen eineinhalb Angebote. Sie alle waren vorher mindestens ein Jahr arbeitslos, die meisten jedoch länger, einige sogar 13 bis 17 Jahre. Und sie alle sind 50 Jahre und älter. „In dieser Altersgruppe liegt der Anteil der Langzeitarbeitslosen bei über 50 Prozent, während er sonst bei 32 Prozent liegt“, sagt Jens Mathias, Leiter des Altonaer Arbeitsamtes, der das Ergebnis der Trainingsmaßnahme „sensationell“ nennt.

Die Altonaer Arbeitsförderungsgesellschaft (afg) konnte für das Projekt Arbeitsamt und Sozialbehörde als Kooperationspartner gewinnen und zusätzlich Geld aus dem Europäischen Sozialfonds akquirieren. „Als Grundlage haben wir vorher eine Marktanalyse gemacht“, erklärt Angelo Wehrli, Geschäftsführer der afg. Die hatte ergeben, dass im Bereich Service und Sicherheit Arbeitskräfte aller Altersgruppen heftig gesucht werden. Peter Schmidt, Inhaber eines Sicherheitsunternehmens und Vizepräsident des Bundesverbands Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen, erklärt: „Wir brauchen jeden, der arbeitswillig ist, wir legen eher Wert auf Lebenserfahrung.“ Die Tätigkeiten seien so vielfältig, dass an einer Weiterbildung sowieso kein Weg vorbei gehe: Pförtner, Streifengänger, Sicherungsposten bei der Bundesbahn, Kaufhausdetektiv sind da nur einige Beispiele. Die afg denkt bei ihrem „afg-train“ außerdem an Busfahrer, Briefzusteller, Aufsichts- und Kassenpersonal in Parkhäusern, Pförtner und Kontrolleure. In dem dreimonatigen Training knüpfen die Teilnehmer durch Praktika Kontakte zu möglichen späteren Arbeitgebern.

Das berufliche Vorleben ist kein Kriterium – es reicht vom Hilfsarbeiter bis zum Ingenieur. Um die erfolgreiche Statistik auf Dauer halten zu können, wählt die afg die Teilnehmer allerdings sorgfältig aus. Die Voraussetzungen: „Ein freundliches, gepflegtes Erscheinungsbild, die Bereitschaft und das Interesse, in den Bereichen Servive und Sicherheit tätig zu werden, und ein polizeiliches Führungszeugnis ohne Eintrag werden vorausgesetzt“, heißt es in der Informationsbroschüre. Weil der erste Durchgang so erfolgreich war, läuft nun bereits der zweite. „Das ist eine Maßnahme, die dem Arbeitsamt richtig Spaß macht“, sagt Mathias.

Wer Interesse am nächsten Durchgang hat, kann sich bei der afg unter 38 60 56 12 melden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen