: Gedenken in Srebrenica
Großaufgebot an Polizei sichert Feierlichkeiten für Opfer des Massakers von 1995 in Bosnien
von ERICH RATHFELDER
Nun ist das Massaker von Srebrenica schon sechs Jahre her, ohne dass den Angehörigen der Opfer von damals wirklich geholfen wird. Bislang konnten nur einzelne in ihre heimat zurückkehren. Denn die serbischen Extremisten, die in Srebrenica das Sagen haben, wollen einen Versöhnungsprozess nicht zulassen. So genannte Tschetniks, die von dem in Belgrad unbehelligt lebenden rechtsradikalen Politiker Vojislav Šešelj unterstützt werden, drohten Aktionen an, um die gestrigen Feierlichkeiten zu verhindern.
So musste die Grundsteinlegung eines Denkmals in dem nahe Srebrenica gelegenen Flecken Potocari von internationalen SFOR-Truppen, von UN-Polizisten und der Polizei der serbisch kontrollierten Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina abgesichert werden – insgesamt über 2.600 Mann. Rund 110 Busse mit über 5.000 Angehörigen wurden durch die Polizeisperren geschleust.
Mit dem Denkmal soll an die 7.000 bis 8.000 Opfer gedacht werden, die damals von serbischen Truppen getötet wurden. Es handelt sich dabei vor allem um die Männer von Srebrenica, die nach dem Fall der Stadt in einer Kolonne versuchten, bosnisch kontrolliertes Gebiet zu erreichen. Frauen und Kinder dagegen wurden in Bussen unter der Aufsicht der in Potocari stationierten UN-Truppen und anderen internationalen Organisationen nach Tuzla abtransportiert.
Auch die internationale Gemeinschaft trägt Verantwortung für das Massaker an den Bosniaken der Stadt, denn Srebrenica war eine von der UN geschützte Zone. Die UN-Verantwortlichen jener Zeit, so der französische Oberkommandierende General Janvier, verweigerten jedoch den militärischen Schutz für die in der Schutzzone lebenden Menschen. Dass es nun endlich zur Grundsteinlegung des Denkmals kommt, ist vielen Einzelinitiativen zu verdanken. Vor allem die „Gesellschaft für bedrohte Völker“ aus Göttingen hat die überlebenden Frauen von Srebrenica dabei unterstützt. Immerhin versprach der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, Wolfgang Petritsch, im Vorjahr, den Bau des Denkmals voranzutreiben.
Im Ganzen jedoch ist die internationale Politik halbherzig geblieben. Die mutmaßlichen Verantwortlichen für das Massaker, der Serbenführer Radovan Karadžić und sein Generalstabschef Ratko Mladić, befinden sich immer noch auf freiem Fuß – in Bosnien und Herzegowina, das angesichts der Präsenz internationaler Organisationen und von mehr als 20.000 SFOR-Truppen eine Art Protektorat der internationalen Gemeinschaft ist. Immerhin hat jetzt die Regierung der serbischen Teilrepublik auf Druck der Chefanklägerin des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, Carla del Ponte, signalisiert, Gesetzesänderungen vorzunehmen, die eine Auslieferung der beiden Hauptakteure ermöglichen.
Doch die Institutionen, die weiterhin Ausgrabungen vornehmen und Spuren der Verbrechen sichern, werden nur mit geringen finanziellen Mitteln unterstützt. So konnte nur ein kleiner Teil der Überreste von fast 5.000 Opfern, die in Tuzla und Visiko lagern, mit modernen technischen Mitteln untersucht werden, um ihre Identität festzustellen. Den bosnischen Forensikern ist es erst vorige Woche wieder gelungen, ein Massengrab ausfindig zu machen. Die Suche nach den Opfern wird dadurch erschwert, dass es den serbischen Behörden auch nach dem Einmarsch der Nato-Truppen im Dezember 1995 noch gelungen ist, Spuren zu beseitigen.
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