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Sie wollten nur ein Zuhause

Ende von Südafrikas erstem großen Landkonflikt: Polizei räumt die Hütten der letzten Township-Bewohner, die sich auf Aufforderung der PAC-Opposition auf „enteignetem“ Land niedergelassen hatten. „Ich sterbe lieber, bevor ich hier weggehe“

aus Bredell Farm MARTINA SCHWIKOWSKI

Ihr Gesang hallt durch das neblige Tal, vorbei an armseligen Wellblechhütten und Bretterbuden. „Wir fliegen wie Tauben, von einem Ort zum andern“, tönt der Zulu-Sprechgesang und im Toyi-Toyi-Schritt der traditionellen Townshipmärsche tanzen Menschen auf der staubroten Erde von Bredell Farm nahe Johannesburg. Aber sie sind nicht fröhlich, sondern verzweifelt. Sie warten auf die Bulldozer, die ihre neue Heimat zerstören und ihre Hütten niederreißen werden. Es ist kalt und neblig an diesem Wintermorgen und der getrübte Blick über die öden Hügel läßt nur erahnen, wie viele Hütten dort in den vergangenen Wochen gebaut wurden.

5.000 Menschen strömten angeblich aus den nahen Townships Thembisa und Daveyton am Ostrand der Goldstadt Johannesburg auf das Farmgelände bei Kempton Park in der Hoffnung, ein Stück Land besitzen zu können – ermutigt durch entsprechende Ankündigungen der radikalen Oppositionspartei PAC (Pan-Africanist Congress), die das zu großen Teilen staatseigene Land für enteignet erklärte und ohne Rechtsgrundlage Besitztitel dafür verkaufte. Viele von ihnen teilen Elsie Makgabos’ Schicksal. „Sie haben uns Land versprochen. Und ich habe meine acht Mark dafür bezahlt, aber noch nichts erhalten“, klagt die 28-Jährige und schaut schüchtern auf das Tal. „Ich kann nicht zurück. Ich sterbe lieber, bevor ich hier weggehe.“

Elsie Makgabos lebte früher im Hinterhof einer Hütte in Tembisa, die sie für diese Chance aufgegeben hat. Ihre drei- und sechsjährigen Kinder Karabo und Jimmy frieren in der Kälte. Der Sprechchor wird lauter. Männer und Frauen wiegen sich durch das Siedlungsfeld. Mütter haben ihre Kinder auf dem Rücken festgewickelt. Plötzlich knien sie im Kreis nieder und beten zwischen alten Matratzen, Brettern und Holzkohle ausgebrannter Feuerstellen, umringt von Fernsehkameras, die über ihre Köpfen ragen. „Wir wollen nur ein Zuhause haben“, sagt eine alte Frau weinerlich, notdürftig in eine Wolldecke gehüllt.

Hier haben sich die Ärmsten der Armen angesiedelt. Einige lebten schon vor Monaten dort, andere wurden von den Versprechungen des PAC angezogen wie Magneten. „Es ist unser Land, es gehört uns, den Afrikanern“, hatte PAC-Generalsekretär Thami Ka Plaatjie gesagt und Stimmung gegen das „Versagen“ der ANC-Regierung beim Wohnungsbau gemacht. 1.200 Hütten entstanden auf Bredell Farm. Sieben Millionen Menschen warten in Südafrika auf ein ordentliches Dach über dem Kopf – nur eine Million subventionierter Häuser sind errichtet worden.

„Wir werden illegale Landbesetzungen in Südafrika nicht zulassen“, war die Botschaft der Ministerin für Landangelegenheiten, Thoko Didiza, an die Obdachlosen. Das Oberste Gericht stimmte zu, und Sicherheitsminister Steve Tshwete schickte seine Polizeitruppen auf das Gelände. Sie sollen die gerichtlich angeordnete Räumung absichern, die eine private Sicherheitsfirma durchführt. Zögerlich fahren die weiß-blauen Polizeiwagen heran und parken in Sichtweite. Gepanzerte Fahrzeuge stehen bereit. Die Stimmung ist angespannt. Aber die wenigen hundert illegalen Landbesetzer, die gestern noch übrig waren, bleiben zuversichtlich, dass noch ein kleines Wunder geschieht. Viele waren nach der gerichtlichen Anordnung vom Dienstag, das Feld innerhalb von 48 Stunden zu räumen, tatsächlich verschwunden. Doch 300 waren geblieben, und nun, um 12 Uhr mittags, läuft für sie die Uhr ab.

Ein Wasserwerfer parkt auf dem Schotterweg. Das bullige gelbe Fahrzeug weckt Erinnerungen an die Apartheid-Zeit. Damals hieß der Schlachtruf radikaler Schwarzer: „Ein Siedler, eine Kugel.“ Heute baut sich ein Sprecher auf einem alten Holztisch auf und ruft: „Ein Grundstück, eine Familie.“

Ein Plakat mit dem Bild einer Luxusvilla wird in die Luft gestreckt, adressiert an den Sicherheitsminister: „Steve, wir wollen nur ein Stück Land in der Größe deiner Küche.“ Die Uhr ist längst abgelaufen. Generalsektär Thami Ka Plaatjie trifft endlich ein und versucht, Hoffnung zu verbreiten: Der südafrikanische Kirchenrat und das Nationale Landkomitee suchen nach einer Lösung für die Menschen. „Wir wollen keine Niederlage der Regierung und keinen Gewinn für uns, ihr sollt Sieger sein.“ Das ist ein Euphemismus, denn diese Menschen sind die Verlierer.

Tief im Tal, kaum sichtbar, haben die Räumungen schon begonnen. Es dauert nur ein paar Minuten, eine Hütte aus Holz und Wellblech auseinanderzunehmen. Und die Menschen werden nun wie Tauben an einen neuen Ort weiterziehen.

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