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„So einen hatten wir noch nie“

Interview RALPH BOLLMANN

taz: Zum ersten Mal seit ihrem Machtverlust hat die Berliner CDU in dieser Woche wieder einen Sieg errungen – sie konnte ihren Wunschtermin für die Landtagswahl durchsetzen, den 21. Oktober. Warum war Ihnen diese Formalie so wichtig?

Peter Radunski: Es ging um den politischen Stil, und es hätte bei einem frühen Wahltermin rechtliche Probleme gegeben. Vor allem aber soll der Wähler nicht die Katze im Sack kaufen müssen. Er soll die Chance haben, sich Gedanken zu machen.

Am 23. September wird in Hamburg gewählt. Ein schlechtes Abschneiden der SPD könnte Ihnen für Berlin Auftrieb geben.

Die Hamburger Wahl stand für mich nicht im Vordergrund. Wichtiger ist die Konjunktur.

Sie hoffen auf die Rezession?

Als der Aufschwung kam, hat der Bundeskanzler gesagt: Es ist mein Aufschwung. Deshalb kann er jetzt nicht umhin zu sagen: Es ist mein Abschwung.

Verbessert ein später Termin nicht den Amtsbonus des Bürgermeisters Wowereit?

Das können wir in Kauf nehmen. Eine Strategie, die keine Nachteile in sich birgt, gibt es nicht.

Versetzen Sie sich in einen Wähler aus dem bürgerlichen Lager, der eine Regierungsbeteiligung der PDS verhindern will: Wäre es für ihn nicht vernünftiger, FDP zu wählen – weil die CDU ohnehin nicht in die Regierung kommt?

Der bürgerliche Wähler in dieser Stadt will nichts anderes als eine starke CDU. Wohl wissend, dass die CDU es schwer hat mit Koalitionspartnern.

Im Gegensatz zur SPD, die mehrere Optionen hat.

Aber wenn sie deutlich schlechter abschneidet als die CDU – kann die SPD dann ohne uns eine Regierung bilden? Da würde ich ein paar Fragezeichen machen.

Wenn sich diese Hoffnung für Sie erfüllt – gibt es dann wieder eine große Koalition?

Ich sehe Perspektiven für Schwarz-Grün, für eine große Koalition oder für eine CDU-Minderheitsregierung. Vielleicht kommt auch Oskar Lafontaine nach Berlin und sagt: Jetzt setzen wir uns alle an einen Tisch. Das ist keineswegs abwegig, denn man darf nicht vergessen: Dieser Wahlkampf ist nur das Mittel zu einem verdammt ernsten Zweck – die Stadt zu sanieren.

Sie haben noch nicht über die PDS gesprochen. Spielt das Thema plötzlich keine Rolle mehr?

Doch. Das PDS-Thema ist wichtig – vor allem, um unsere eigenen Anhänger zu motivieren. Aber der Hauptgegner ist die SPD. Sie hat die PDS hoffähig gemacht. FDP und Grüne lassen wir links liegen. Sie müssen sie sich ihre Publizität selbst verdienen.

Warum spielen die Grünen in ihrer früheren Hochburg Berlin keine Rolle mehr?

In den Koalitionsverhandlungen wirkte die Partei wie ein Flügel der SPD. Beim Personal hat sie sich weder verjüngt noch prominent verstärkt. Justizsenator Wolfgang Wieland ist doch genauso knackig wie Diepgen und Landowsky. Den originellen Part, den es in jedem Wahlkampf gibt, hat Gysi den Grünen weggenommen. Wowereit hat mit seinem Outing den provozierenden Part geliefert. Das hätte man früher von den Grünen erwartet.

Müssen nicht auch Sie fürchten, dass Ihr Kandidat Frank Steffel neben Gysi und Wowereit nur den dritten Part spielt?

Das entscheidende Kopf-an-Kopf-Rennen findet zwischen SPD und CDU statt. Die PDS hat ihren Zenit bereits erreicht. Gysi hatte eine ungeheure Publizität. Es war, als wünschte sich die gesamte öffentliche Meinung keinen anderen Bürgermeister als ihn. Er ist eben der Jockey der Spaßgesellschaft. Aber wenn es ans ernste Leben geht, wird die PDS nicht viel mehr Stimmen haben als beim letzten Mal.

Die SPD spricht von einer Ampelkoalition mit FDP und Grünen. Nehmen Sie das ernst?

Damit will die SPD ihre Wähler bei der Stange halten, die sich wegen der PDS-Annäherung verprellt fühlen. Die Stimmung für eine solche Ampelkoalition ist nicht allzu stark. Die FDP bringt alles andere als taufrische Politik mit. Vielleicht hätte Guido Westerwelle etwas Mut haben und in Berlin antreten sollen. Oder der unschlagbare Möllemann. Aber Günther Rexrodt als Erneuerer der Berliner Politik – da sind wir nun wirklich dabei, in den Bereich der Satire zu treten.

Sie machen sich also keine Hoffnung, dass die CDU mit Hilfe der FDP wieder an die Regierung kommt?

In Berlin sehe ich eine Koalition mit der FDP nicht, einfach aus dem Volumen heraus. An den Ergebnissen der Bundestagswahlen sehen Sie ganz deutlich, wie klein das bürgerliche Lager in der Stadt ist. Die bisherige Stärke der Berliner CDU bestand darin, dass wir weit über das bürgerliche Lager hinausgegriffen haben.

Den Vertrauensverlust haben Sie sich selbst zuzuschreiben: Das Zögern in der Bankenkrise hat sogar Ihre eigene Bundespartei erzürnt. Warum haben alle Warnsysteme versagt?

Die Bundespartei war natürlich entsetzt, dass Diepgen diese Frage nicht energischer angegangen ist. Er dachte immer noch, er könnte die Koalition über Kompromisse in der Sache erhalten. Manchmal im Leben sind unsere Erfolgsrezepte eben auch unsere Misserfolgsrezepte.

Hat die CDU unterschätzt, wie ernst es die SPD meint?

Mit Sicherheit. Da hatten wir ein Blackout.

Woran lag das? Daran, dass die SPD zehn Jahre lang nicht ernst zu nehmen war?

Offensichtlich war die SPD gespalten. Von den Senatsmitgliedern wurde uns intern immer wieder versichert, dass man nicht auseinander gehen will – und auf der anderen Seite hat Wowereit den Koalitionsbruch vorbereitet.

Es gab einen Punkt, an dem klar war: Die SPD besteht darauf, dass Landowsky zurücktritt. Trotzdem hat die CDU noch wochenlang gezögert.

Da stand längst fest: Egal, ob Landowsky zurücktritt oder nicht – die SPD will Diepgen stürzen.

Und wenn Landowsky schon vorher zurückgetreten wäre?

Die SPD hatte schon frühzeitig Informationen, dass es zur Bankenkrise kommt. Sie hat die Spendenaffäre nur deshalb so aufgebauscht, weil sie damals schon wusste, dass in der Bank etwas nicht in Ordnung ist.

Jetzt hat die SPD-Zentrale ihren Pressesprecher für die Berliner Kampagne abgestellt, und bei der CDU residiert das Wahlkampfbüro sogar im Gebäude der Bundespartei. Ist es eine bundespolitische Schlacht, die in Berlin ausgetragen wird?

Es ist schon eine große Frage, ob in der Hauptstadt die PDS regiert. Damit fällt eine Vorentscheidung über denkbare Linkskoalitionen im Bund. Deshalb ist die Berliner Wahl zu einem Stellvertreterkrieg für die Bundestagswahl geworden. Zum zweiten liegt die bundespolitische Bedeutung dieser Wahl in der Frage, ob Schröder über die Wirtschaftspolitik stürzen kann.

Am deutlichsten wurde die Verbindung zwischen Bundes- und Landespolitik in der Kandidatenfrage. Gerade CDU-Anhänger fragen immer wieder: Warum hat sich die Berliner Union gegen Schäuble gewehrt?

Diese Frage wird häufiger von Parteifreunden außerhalb Berlins gestellt. Wenn sie Steffel dann sehen, sind sie überrascht: Diesen Typ Politiker haben wir in der CDU überhaupt noch nie an der Spitze gehabt.

Was ist denn neu am Landowsky-Zögling Steffel?

Hinein in die Politik und gleich auf die Kandidatenebene – das haben wir in Deutschland bisher nicht gehabt. Das ist eigentlich etwas Amerikanisches.

Haben Sie Steffel nominiert, um ihn für spätere Wahlen aufzubauen – weil sie diesmal ohnehin keine Chance haben?

Jede Partei tut gut daran, auch mittel- und langfristig zu denken. Steffel kann die Berliner CDU für viele Jahre führen – selbst wenn er nicht gleich im ersten Anlauf gewinnt. Was er natürlich fest vorhat.

In der Auseinandersetzung mit der SPD steht Steffel für Konfrontation. Ist auch das eine Vorentscheidung für die Bundestagswahl – Konflikt statt Konsens als Antwort auf Schröders Neue Mitte?

Inhaltlich ist „Mitte“ ein Propagandaausdruck ohne wirkliche Bedeutung. Strategisch steht er für die unentschlossene Wählerschaft zwischen den Parteien. Sie wird immer größer, und um sie kämpfen alle.

Müssen Sie deshalb künstliche Gegensätze schaffen – und die Zuwanderung zum Wahlkampfthema stilisieren, obwohl es kaum sachliche Differenzen gibt?

Das hat Otto Schily nicht ungeschickt gemacht. Die SPD versucht, aus zwei Modellen von CDU-Politikern – Süssmuth und Müller – einen Kompromiss zu machen. Aber die entscheidende Frage bleibt: Wie begrenzen wir die ungewollte Zuwanderung von Asylbewerbern, die gar keinen Asylanspruch bekommen? Egal, ob wir ein Zuwanderungsgesetz haben oder nicht: Dieses Thema wird im Wahlkampf eine Rolle spielen. Einfach, weil es die Wähler interessiert.

Auch für die Bundestagswahl stellt sich die Personalfrage. Wer ist der wahltaktisch bessere Kandidat – Stoiber oder Merkel?

Über die Person ist Schröder nicht zu schlagen, weil er sich als Kanzler medial gut darstellt. Beide denkbaren Unionskandidaten haben aber gute Chancen, wenn sie die richtigen Themen finden. Sind im Oktober die Arbeitslosenzahlen höher als im Vorjahr, dann geht die Debatte über Schröders falsche Wirtschaftspolitik erst richtig los.

Das Argument, ein Bayer könne nicht Kanzler werden, zieht für Sie nicht?

Es wird immer gesagt: Strauß hat 1980 die Bundestagswahl verloren. Das sehe ich anders. Er hat sie gewonnen. Die CDU wurde stärkste Partei, und zwei Jahre später konnte sich Kohl mit diesem Ergebnis im Bundestag zum Kanzler wählen lassen. Auch diesmal glaube ich nicht, dass eine der beiden großen Parteien den Durchmarsch schafft. Dann wird sich in einem edlen Wettstreit entscheiden, wer mit der FDP die Regierung bildet.

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