: „Hightech-Kloake BRD“ war schuld
Staatsanwältin beantragt viereinhalb Jahre Freiheitsstrafe für Staps. Angeklagter fordert Freispruch. Gutachter bescheinigt dem Angeklagten narzisstische Persönlichkeitsstörung, er sei aber keine Gefahr für die Allgemeinheit. Urteil kommende Woche
von PLUTONIA PLARRE
Nachdem er fast eine Stunde ohne Pause geredet hatte, holte der Angeklagte Olaf Staps tief Luft, schob sich die langen Haare aus dem Gesicht und sagte dann mit Nachdruck: „Ich fordere Freispruch in allen Punkten.“ Nicht er sei der „Verbrecher“, sondern die PDS und eine Immobilienfirma. Wenn das Gericht dies anders sehe, stelle es „die Wirklichkeit auf den Kopf“. Zuvor hatte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer eine viereinhalbjährige Freiheitsstrafe für Staps wegen Brandstiftung und Störung des öffentlichen Friedens beantragt. Das Urteil wird am kommenden Freitag verkündet.
Weder das Fazit der Staatsanwältin noch das des Angeklagten war gestern überraschend. In dem Prozess vor dem Landgericht ist seit Anfang an unstrittig, dass der 41-jährige Olaf Staps in dem leerstehenden Haus in der Grünberger Str. 52 in Friedrichshain Feuer gelegt hatte, um sich an der Immobilienfirma für seine fristlose Kündigung zu rächen. Zugleich hatte er im Januar 2000 in Drohbriefen angekündigt, den PDS-Gedenkmarsch für Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht mit Maschinenpistolen anzugreifen.
Die „rechtsradikale Verbrecherbande“ der PDS, die in Friedrichshain die Baustadträtin gestellt hatte, so die Begründung von Staps, sei mit schuld daran, dass er obdachlos geworden sei. Wegen der Drohung war der Gedenkmarsch aus Sicherheitsgründen um eine Woche verschoben worden. Im Prozess hatte Staps ausgesagt, dass die Drohung nicht ernst gemeint gewesen sei. Er habe lediglich „Öffentlichkeit herstellen wollen“.
Der psychiatrische Sachverständige Uwe Lange kam gestern in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass bei Staps eine „narzisstische Persönlichkeitsstörung“ mit querulatorischem Anteil vorliege und eine verminderte Schuldfähigkeit deshalb nicht auszuschließen sei.
Seine Erkenntnisse hatte der Psychiater aus rund 1.000 Seiten Aufzeichnungen von Staps bezogen, die auf dessen beschlagnahmten Notebook gespeichert waren. In den Schriften habe sich der Einzelgänger Staps seine Wut über das von ihm als ungerecht empfundene System von der Seele geschrieben, weil er „außer zu sich selbst“ keinen Kontakt zu Menschen habe, so der Gutachter. Die Wurzeln für dieses Misstrauen seien in Staps’ schwierigen Verhältnis zu Frauen begründet. Nach mehreren Kränkungen habe er begonnen, seine Wut gegen den Staat zu richten. Auch zu DDR-Zeiten, so der Gutachter, habe sich Staps schon in einer Außenseiterrolle befunden.
Aus dem „Überschwappen der Hightech-Kloake BRD“, zitierte der Gutachter Staps, habe der Angeklagte dann jedoch die „Legitimation“ für weitere Handlungen bezogen. Er glaube aber nicht, dass Staps eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle, sagte der Gutachter auf Nachfrage des Gerichts. „Ich glaube sogar, dass er in der Lage ist, sich in bestimmten Punkten zu korrigieren. Staps hatte dazu in dem Prozess gesagt: „So ein Ding kann man im Leben nur einmal machen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen