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Neuer Lärm um Gesetzesnovelle

Die von Bundesumweltminister Trittin geplante Novellierung des Lärmschutzes scheiterte bisher am Verkehrsminister und an den Bundesländern. Jetzt schlägt die SPD-Fraktion einen Kompromiss vor, der ganz auf der Linie des grünen Ministers liegt

von MATTHIAS URBACH

Für Rudolf Scharping bedeutet es nur Kosten. Für Kurt Bodewig ist es „verkehrspolitisch unsinnig“. Und für Jürgen Trittin ist es ein „Loser-Thema“. Gemeint ist die Fluglärm-Novelle. Vor eineinhalb Jahren legte Umweltminister Trittin seine Eckpunkte für mehr Lärmschutz vor, im November den Referentenentwurf. Seitdem wurde es still um das Thema. Bis heute konnten sich die Staatssekretäre von Verkehrsminister Bodewig und Trittin nicht einigen, wie viel Kosten die Novelle verursachen würde. Nachdem die Verkehrsminister der Länder im Mai einen Gegenvorschlag verabschiedeten, der Trittins Entwurf völlig verwässerte, schien die Novelle tot.

Ausgerechnet aus der SPD-Fraktion kommt nun Druck. Auf Initiative der Umweltpolitikerin Anke Hartnagel erarbeiteten die Arbeitsgruppen Umwelt und Verkehr ein Kompromisspapier, das erstaunlich nahe an den Entwurf Trittins heran kommt. Zwar ist es noch keine Position der Gesamtfraktion, doch auch SPD-Fraktionschef Peter Struck hält es für eine „gute Grundlage“, wie aus Koalitionskreisen verlautet.

Mit der Initiative der Fraktion kann sich auch der sozialdemokratische Verkehrsminister Bodewig nicht mehr vor einer öffentlichen Stellungnahme drücken. In seinem Haus spielte man auf Zeit. Denn nur wenn die Novelle noch bis Herbst durchs Kabinett geht, gibt es eine realistische Chance, sie bis zur Wahl umzusetzen. Die Taktik schien lange aufzugehen, denn auch Trittin vermied es, nach seinen Skinhead-Fauxpas öffentlich Druck zu machen.

Hartnagel gibt sich nun zuversichtlich: „Die verhärteten Fronten zwischen den Ministerien sind überwunden.“ Doch die Positionen liegen weit auseinander. Ob sich die Ministerien annähern, wird sich zeigen, wenn sich Trittins Staatssekretär Rainer Baake mit Bodewigs Vertreter Ralf Nagel trifft. Das wird noch etwas dauern, den zur Zeit weilt Nagel im Urlaub an der Ostsee.

Hauptanliegen Trittins ist die Ausweitung der Schutzzonen: Künftig sollen Anwohner bereits ein Recht auf vom Flughafen bezahlten Schallschutz haben, wenn der Dauerlärmpegel 65 Dezibel (dB) übersteigt. Oberhalb dieses Wertes steigt nämlich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, so Trittin. 65 dB entsprechen etwa dem Lärm tagsüber an einer Hauptverkehrsstraße.

Nach dem bislang geltenden, 30 Jahre alten Gesetz besteht dieser Anspruch erst ab einem doppelt so lautem Pegel (75 dB). Auch verlangt Trittin Entschädigung für Anwohner, die aufgrund des Lärms ihren Vorgarten nicht mehr vernünftig nutzen können. Er will auch einen weiteren Grenzwert für die Nachtruhe festlegen: Ab 50 dB soll es „belüftete Schallschutzfenster“ geben.

Während die Landesverkehrsminister erst bei deutlich höherem Lärm einen Schutz bezahlen wollen, würden die SPD-Abgeordneten gern Trittins Werte übernehmen – allerdings mit einer Übergangsfrist von fünf Jahren. Auch unterstützt Hartnagel Trittins Forderung, beim Ausbau von Flughäfen strengere Grenzwerte für Lärmschutz anzulegen. Der Nachtruhewert allerdings soll auch laut der Fraktion nicht unter 53 dB sinken.

Unklar ist noch immer, wie teuer die Novelle wird. Das Umweltbundesamt rechnet mit Mehrkosten von 1,2 Milliarden Mark für die Flughäfen. Die Luftverkehrswirtschaft sprich von sechs Milliarden. „Horrorzahlen“ heißt es dazu in Fraktionskreisen. Umgerechnet auf ein Flugticket rechnet die SPD mit durchschnittlich höchstens fünf Mark pro Flugticket.

Offen ist, ob sich das Verteidigungsministerium durchsetzen kann. Denn Trittin verlangt erstmals auch für die Militärflughäfen einheitliche Grenzwerte. Hartnagel gibt sich zuversichtlich: Dies Problem sei zu lösen, „vielleicht mit noch längeren Übergangszeiten“.

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