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Veto gegen Medienbosse

Widerstand des Präsidenten könnte Gesetz zugunsten der Dogan-Gruppe verhindern

aus Istanbul JÜRGEN GOTTSCHLICH

Aydin Dogan ist einer der mächtigsten Männer der Türkei. Ein Politiker, der sich den Unmut Dogans zuzieht, hat nichts zu lachen. Angefangen von Hürriyet, dem auflagenstärksten Bilderblatt des Landes, über Milliyet, Radikal und den Fernsehkanal D hört alles auf sein Kommando. Dogan ist der Königsmacher der Türkei. Er könne Ministerpräsidenten abschießen und Regierungschefs installieren, heißt es in den Teehäusern.

Auch wenn das vielleicht etwas übertrieben ist, hatte die Dogan-Gruppe beispielsweise am Sturz des islamistischen Regierungschefs Erbakan einen nicht unerheblichen Anteil – genauso wie an der nachfolgenden Inthronisierung von Mesut Yilmaz als Regierungschef. Und

Königsmacher haben ihren Preis – Aydin Dogan ist nicht billig. Für ihre Hilfe im Kampf gegen die „islamische Gefahr“, erwarteten Dogan und andere Medienbosse von der neuen Regierung die Aufhebung einiger lästiger Einschränkungen ihrer Geschäftsmöglichkeiten. Laut altem Mediengesetz dürfen Personen, die mehr als zehn Prozent an einem landesweiten Fernsehkanal besitzen, keine Staatsaufträge übernehmen. Staatsaufträge aber sind in einem Land, in dem der Staat nach wie vor über die Hälfte der Wirtschaft kontrolliert, das Manna im Soll und Haben jeder Firmenbilanz. Die Dogan-Holding, die neben Medien auch Banken, Fabriken und Fußballvereine besitzt, wollte vor allem im expandierenden Energiemarkt einsteigen.

Gesetz durchgedrückt

Trotz der Unterstützung von Aydin Dogan blieb Mesut Yilmaz nicht lange genug Ministerpräsident, um seine Versprechen gegenüber seinem Königsmacher einlösen zu können. Als kleinerer Koalitionspartner in der amtierenden Regierung von Ecevit sorgte er dann aber doch noch dafür, dass vor einigen Wochen ein neues Medienaufsichtsgesetz durchs Parlament gepuscht wurde, mit dem Aydin Dogan hoch zufrieden sein dürfte. Denn Mesut Yilmaz hatte ganze Arbeit geleistet: Nicht nur dürfen Medienbosse sich jetzt an staatlichen Ausschreibungen ganz offiziell beteiligen, auch andere kartellrechtliche Beschränkungen wurden aufgehoben, und nicht zuletzt wurde die Zusammensetzung des zuständigen Medienkontrollrates so verändert, dass zukünftig die Parteien die Mehrzahl der Personen im Kontrollrat bestimmen.

Internet-Gesetz

Um nicht eine reine Lex Dogan zu schaffen, sollte eigentlich auch die Nutzung des Internets geregelt werden. Weil der Entwurf in diesen Punkten aber so repressiv und völlig wirklichkeitsfremd daherkam, musste die Regierung nach massiven öffentlichen Protesten diesen Teil noch vor der abschließenden Beratung im Parlament aus dem Gesetz wieder herausnehmen.

Verabschiedet wurden dagegen eine massive Erhöhung der Strafen für so genannte Seperatismuspropaganda und Sendungen, die Ängste schüren oder Pessimismus verbreiten. Die Geldstrafen wurden so drastisch heraufgesetzt, dass kleinere Sender, vor allem lokale Radios, gleich in ihrer Existenz bedroht sind.

Als einer der wenigen unabhängigen Politiker des Landes zog Staatspräsident Ahmet Necmet Sezer Ende Juni die Notbremse und legte sein Veto gegen das Gesetz ein. Das Gesetz, so Sezer, sei undemokratisch, fördere die Monopolisierung im Medienbereich und gefährde die Informationsfreiheit der Bürger. Das Parlament muss nun nach der Sommerpause entscheiden, ob es die Kritik des Staatspräsidenten ernst nimmt oder ob der Entwurf noch einmal unverändert zurückgeschickt wird. Der Präsident müsste dann das Gesetz erst einmal passieren lassen, könnte aber das Verfassungsgericht einschalten. Da die amtierende Regierung zur Zeit ein denkbar schlechtes Standing hat, wird sie wohl einen großen Krach nicht riskieren wollen. Trotz aller Medienmacht wird Dogan hinnehmen müssen, dass das Gesetz entweder substanziell verändert wird – oder aber ganz in der Versenkung verschwindet.

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