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Krasses Kriegselend

Ernst Barlach und die Elemente: Werke verschiedener Gattungen aus allen Schaffensphasen des expressionistischen Künstlers  ■ Von Katharina Kramer

Ausgelassen tanzt eine junge Frau durch eine Frühlingslandschaft, lachend, die Arme ausgebreitet, ihr langes Haar und ihr helles Kleid flattern im sanften Wind. Gegenüber dieser Kohlezeichnung Frühlingswind von 1900 steht die Bronzeskulptur Mutter Erde aus dem Jahr 1920: mit friedvollem Gesicht, schwerem Gewand und riesigem Schoß – die Quelle des Lebens.

Über 80 Skulpturen, Zeichnungen und Druckgraphiken aus allen Schaffensperioden Ernst Barlachs führen ein Leitmotiv im Werk des Künstlers vor Augen: Die Elemente Feuer, Wasser, Erde, Luft. Die von der Barlach-Stiftung konzipierte Ausstellung Barlach und die vier Elemente wird bis zum 26. August im Barlach Haus gezeigt. Klare, ausführliche Erläuterungen führen die Besucher in die Welt des Künstlers ein. Leichtigkeit und Freude, aber auch Kampf und Tod spiegeln sich in den Zeichnungen und Skulpturen: Die vier Elemente sind für den in Wedel geborenen Bildhauer, Zeichner und Schriftsteller einerseits lebensspendend, andererseits zerstörerisch.

Hatte der Künstler zu Beginn seines Schaffens auf fließende, weiche Formen gesetzt, wandte er sich nach seiner Russlandreise 1906 dem Expressionismus zu: Harte, klare Linien lenken den Blick auf das Innenleben der Figuren. Diese sind oft ganz bei sich, träumen sich weit fort: die Augen geschlossen, den Kopf in die Hand gestützt, hängt der nordische Wassergeist Nöck – eine Mutz-Keramik von 1903/04 – seinen Gedanken nach, während sein Körper zu einem großen Gefäß zerfließt. Den Durstigen von 1933 schirmen Kopfbede-ckung, ein langes, enges Gewand und geschlossene Augen von der Außenwelt ab: sorgsam und liebevoll umfasst er das kleine ovale Gefäß und saugt das Wasser tief in sich hinein. Die Skulptur aus Mahagoni-Holz gehört zu den schlanken, nach oben strebenden kontemplativen Figuren in Barlachs Werk. Sie bilden einen Gegensatz zu den gedrungenen, erdverbundenen Gestalten, die der Künstler seit seiner Russlandreise schuf. Eine Federzeichnung von 1908 stellt einen massigen, untersetzten Prometheus dar, der aus Erde einen Menschen formt. Doch die Erde ist nicht nur Ursprung des Lebens, sondern auch Reich des Todes: die 1915 entstandene Lithographie Massengrab vergegenwärtigt krass das Grauen des Krieges.

Der Krieg als Zeit von Not und Leid – das passte nicht zur Ideologie der Nazis. Seit seiner Russland-reise idealisierte Barlach die slawischen Völker als „erdverbunden“ und „unverfälscht“ – auch dies konträr zur „Herrenmenschen“-Idee der Nazis.

Die Folge: Werke Ernst Barlachs wurden von den Nazis beschlagnahmt und 1937 in der Ausstellung Entartete Kunst in München gezeigt. Wanderer im Wind heißt seine Eichenholzskulptur von 1934: Eine Hand hält die Kopfbedeckung, eine andere den vom Wind in Falten geworfenen Mantel, dessen scharfe Konturen kubistischen Einfluss zeigen. Der bärtige Mann schreitet äußerst kraftvoll aus. „Mir weht ein heftiger Wind entgegen“, klagt Barlach in jener Zeit, „und bisweilen schleudert man mir ein paar Hagelkörner mitten ins Gesicht.“

Di–So 11–18 Uhr, Barlach-Haus, Baron-Voght-Straße 50; abis 26. August,

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