: Wohlfühlen ohne Atomstrom
Die „Lindenstraße“ macht sich für Ökoenergie stark und will zum Stromwechsel animieren. Die Landesmedienanstalten wittern öffentlich-rechtliche Schleichwerbung für grüne Energieversorger. Ein Interview mit Drehbuchautorin Irene Fischer
Otto Mohl meets „Lindenstraße“: Ein Viertel Jahrhundert nach Loriots sprechendem Hund ist Ökostrom zum großen Thema in der WDR-Dauersoap geworden: Taxifahrer Andy Zenker und Ex-Privatdetektiv Hajo Scholz kämpfen mit der Initiative „Ohne mich“ für den Stromwechsel und wetten mit ihren Stammtischkollegen Erich und Hans, dass sie es schaffen, bis Februar 2002 mindestens 5000 Menschen zum Umstieg von Atom- auf Ökostrom zu bewegen. Parallel zu dieser fiktiven Geschichte wurde die Homepage www.stromwechsel-muenchen.de freigeschaltet. Weil die Links zu namhaften Ökostrom-Versorgern bieten, wittert die Medienaufsicht plötzlich Schleichwerbung.
taz: Woher kam die Idee, in der Lindenstraße den Ökostrom zu thematisieren?
Fischer: Das lag einfach auf der Hand. Das Engagement der Schönauer Stromrebellen und auch die Freiburger Solarsiedlung sind schließlich ein großes Thema in den Medien. Und da die Lindenstraße sich bekanntlich dadurch auszeichnet, dass sie immer wieder aktuelle Diskussionen aufgreift, fanden wir es eine tolle Idee, auch mal den Ökostrom zu thematisieren.
Energiepolitik wurde aber auch schon früher diskutiert.
Ja, klar. Die Atomenergie war immer mal wieder ein Thema bei uns. Es wurde in der Serie auch einmal der Bau eines Windrades auf dem Dach der Lindenstraße 3 debattiert. Kontroverse Diskussionen haben bei uns Tradition.
Wie sind die Reaktionen der Zuschauer auf die aktuelle Aktion Stromwechsel?
Die Resonanz ist wahnsinnig, sie übertrifft alle unsere Erwartungen. Wir erhielten in nur drei Tagen 160 Mails von Lindenstraßen-Fans – und die Reaktionen waren weit überwiegend positiv. Dafür, dass es in der Serie nur um eine besoffene Stammtischwette geht, ist das natürlich ein grandioses Feedback.
Wie viele Zuschauer werden sich dadurch animieren lassen, selbst den Versorger zu wechseln?
Das ist schwer abzuschätzen, da wage ich keine Prognose. Aber es haben uns inzwischen 480 Zuschauer mitgeteilt, dass sie zu einem Ökostromversorger wechseln wollen. Vielen Menschen, die mit sauberem Strom sympathisieren, fehlte offensichtlich nur der Anstoß zum Wechsel.
Hat die Zahl der realen Stromwechsler Einfluss auf den Fortgang der Serie?
Nein. Zwar ist es unser Konzept, Fiktion und Realität in der Serie zu vermischen, aber die Entscheidung über den Ausgang der Stromwette steht bereits im Drehbuch.
Die Landesmedienanstalten haben sich kürzlich zu Wort gemeldet. Dass in der Sendung eine real existierende Internet-Adresse genannt wurde, die zu Ökostromversorgern weiterleitet, sei Schleichwerbung, hieß es.
Der Vorwurf ist absurd. Wir werben ja nicht für ein bestimmtes Unternehmen, sondern stellen eine ganze Branche dar. Da kann von Schleichwerbung wirklich nicht die Rede sein.
Hat sich die Atomlobby schon gemeldet? Immerhin war Anlass für die Wette ja ein Unfall eines Atomtransporters, bei dem einer der Stammtischbrüder aus der Lindenstraße verstrahlt wurde.
Bei mir ist aus der Atomwirtschaft noch keine Rückmeldung angekommen.
Und wie geht es nun weiter mit dem Ökostrom in der Lindenstra0ße?
Wir werden ihn nicht aus den Augen verlieren. Wir können ein so wichtiges Thema ja nicht ruhen lassen, um es dann nach einem halben Jahr plötzlich wieder aufzugreifen. Deshalb wird der Ökostrom in den kommenden Monaten immer wieder Thema bei uns sein – bis zur Auflösung der Wette Anfang kommenden Jahres.
INTERVIEW: BERNWARD JANZING
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