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Noch mehr Ferien

Im UKE-Skandal um die Herzchirurgie gibt es noch einen suspendierten Arzt und noch viele Fragen zu klären  ■ Von Sandra Wilsdorf

Der Skandal in der Herzchirurgie am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) hat einen weiteren leitenden Arzt in unerwünschte Ferien befördert: Das UKE-Direktorium hat den kommissarischen Leiter der Abteilung Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie mit sofortiger Wirkung bis auf weiteres freigestellt. Begründung: Er hatte gegenüber dem inzwischen ebenfalls beurlaubten Ärztlichen Direktor Heinz-Peter Leichtweiß „unvollständige, vermutlich unrichtige Angaben zu Komplikationen gemacht in Fällen, die seit dem 20. Januar 1998 von Professor D. selbst oder auch unter seiner Beteiligung operiert wurden“.

Der Herzchirurg hatte die Leitung übernommen, nachdem sein Vorgesetzter im Januar 1998 einen Hirnschlag erlitten hatte. Er war also auch verantwortlich, dass der seine Rückkehr in den Beruf am lebenden Patienten übte und hatte stets behauptet, Leichtweiß habe davon gewusst.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt derweil in zwei Fällen wegen fahrlässiger Tötung und in 19 Fällen wegen fahrlässiger Körperverletzung. Im Visier hat sie dabei den nach dem Schlaganfall durch Konzentrations- und Bewegungsstörungen beeinträchtigten Professor D. sowie einen weiteren Arzt. Der soll federführend in der Operation gewesen sein, die ein kleiner Junge nur schwer geschädigt überlebte. „Sollte sich herausstellen, dass Schäden aufgetreten sind, die auf Kunstfehler zurückzuführen sind, dann gelten weitere Ärzte als Beschuldigte“, sagt Rüdiger Bagger, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Dann würde gegen weitere Ärzte und andere Mitglieder der jeweiligen Operationsteams ermittelt.

Momentan ist noch offen, wieviele der 121 unter Beteiligung vom kranken Professor D. operierten Patienten tatsächlich geschädigt wurden. „Uns liegen in vier Fällen Schadenersatzansprüche vor“, sagte Leichtweiß-Nachfolger Hans-Dieter Jüde gestern vor dem Wissenschaftsausschuss.

Vor dem musste sich auch Wissenschaftssenatorin Krista Sager (GAL) rechtfertigen. Ihrer Behörde war offenbar schon im November 2000 bekannt, dass Professor D. operierte, obwohl er dazu nicht wirklich in der Lage war, und dass es dabei zu der Schädigung des Jungen gekommen war. Die „Arbeitsgruppe Krankenhausrecht“, einst eingerichtet, um den UKE-Strahlenskandal zu klären, hatte im November empfohlen, eine Expertenkommission zu dem Thema einzurichten. Die Behörde entschied sich dagegen, „denn mittlerweile hatte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen übernommen“, erklärte ein Behördenvertreter gestern.

Nun gibt es gleich zwei Kommissionen: eine ärztliche, die alle Akten der von Professor D. Operierten noch einmal untersucht. Eine zweite Kommission unter Leitung des ehemaligen Chefs des Oberverwaltungsgerichts, Uwe Mückenheim, soll untersuchen, wie es zu dem Skandal kommen konnte.

Derweil muss das UKE einen weiteren Chefposten neu besetzen: Der Direktor Betrieb, Chefprivatisierer Gerhard Becker, hat gekündigt.

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