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Liebesparade droht Scheidung

DJs drohen mit Plattenstreik für mehr Mitspracherecht bei der Love Parade

Im Dachgebälk des Liebeshauses knistert’s nicht nur, sondern es kracht mittlerweile mächtig. Wegen eines Streits über Strukturen und Finanzen der Love Parade hat ein Großteil der DJs mit einem Plattenstreik für Samstag gedroht: Für zehn Minuten sollten um 17 Uhr ihre Trucks im Tiergarten stehen bleiben. Statt Techno-Grooves sollte eine Resolution zu hören sein, mit der etwa 27 der reichlich 40 Wagenmacher gegen ihre „Verarschung“ (Szene-O-Ton) durch den Veranstalter des Techno-Umzuges protestieren wollten. Der Abschlussrede von Love-Parade-Geburtshelfer Dr. Motte wollten die Revoluzzer gar den Ton abdrehen.

Ihr Zorn staut sich an verschiedenen Barrieren auf: So wurde überlegt, den Wagen kurzerhand anteilig das von der Loveparade-GmbH erwartete diesjährige Defizit von 1,5 Millionen Mark aufzulasten, sagt Cengis Celik von Raveline. Das Magazin gehört zum „Float Commitee“, das die Wagen auswählt und organisiert. Wegen Terminschwiergikeiten und Angst vor Rufschädigung seien zudem rund 70 Prozent der Wagensponsoren abgesprungen, so Celik. Die Stimmung sei „auf dem Tiefpunkt“.

„Die Parade hat ihren Spirit verkauft“, klagt der prominenteste Paradenkritiker, DJ Sven Väth. Im vergangenen Jahr zahlte seine Firma Cocoon 80.000 Mark für ihren Paradewagen. Zwölf Riesen musste der DJ privat dazulegen, so Cocoon-Vertreter Andreas Stumpf. Diesmal legt Väth lieber auf Ibiza auf.

Erst angesichts des drohenden Streiks habe sich Love-Parade-Geschäftsführer Andreas Scheuermann am Wochenanfang zum Wagenkommitee aufgemacht, sagt Celik. Scheuermann habe nun angeboten, dass zukünftig nicht allein die GmbH, sondern verschiedene Gremien das Paraden-Konzept mitbestimmen. Über Marketing oder die Vergabe der begehrten DJ-Plätze an der Siegessäule sollten „allgemein akzeptierte Vertreter der Techno-Szene“ entscheiden. Vorläufig geben sich die DJs damit zufrieden. Sollte es sich als „Fake“ herausstellen, gebe es Überlegungen, einen eigenen Techno-Umzug zu organisieren, heißt es aus DJ-Kreisen.

Im September sollen die neuen Organisationsgruppen mit Senatsvertretern Termin und Konditionen für die Parade 2002 erörtern. Man bestehe nicht auf dem umstrittenen Tiergarten als Paradestrecke, so Celik.

TILMAN STEFFEN

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