: „Aus dem Klimawandel könnten Kriege entstehen“
Unep-Chef Klaus Töpfer fordert, Umweltschutz mit Armutsbekämpfung zu verbinden. Der Norden müsse seine ökologische Aggression gegenüber dem Süden aufgeben
taz: Sie leben als Chef des UN-Umweltprogramms (Unep) seit dreieinhalb Jahren in Nairobi. Hat das Ihren Blick auf die Umwelt geändert?
Klaus Töpfer: Absolut, das hat mich völlig verändert. Wir haben im letzten Jahr eine der schlimmsten Dürren im Horn von Afrika miterleben müssen. Die extremen Wetterlagen nehmen hier den Leuten die Nahrung. Man muss nur mal nach Downtown Nairobi gehen. In den Slums dort treffen Sie Umweltflüchtlinge, die in ihrer Heimat nichts mehr vorfanden, weil sie versteppte, weil sich die Wüsten ausbreiteten. Mir ist in Nairobi klar geworden, wie dringend notwendig es ist, Umweltschutz mit Armutsbekämpfung zu verbinden.
Viele im Norden halten die Armut im Süden nicht für ihr Problem.
Die Länder im Norden wälzen die Umweltkosten ihres Wohlstands auf den Süden ab. Hier werden Urwälder praktisch zum Nulltarif geschützt, aus denen der Norden dann zum Beispiel das Holz für seine Möbel holt. Es ist nicht nur ein Almosengeschäft, wenn wir Solidarität mit dem Süden üben.
Gilt das auch für den Klimawandel?
Es ist vor allem der Norden, der das Klima verändert. Aber es sind die Länder des Südens, die die Folgekosten des Klimawandels zahlen. Das ist eine ökologische Aggression des Nordens gegen den Süden.
Die zu Kriegen führen kann?
Wenn sich durch den Klimawandel etwa die Niederschläge verändern, können daraus Kriege um Wasser entstehen. Die ökologische Aggression ist real – und man muss sie drastisch beschreiben, damit das nicht nur denen hier im Süden klar wird, die damit täglich konfrontiert sind, sondern auch dem Norden.
Ist der Klimawandel bereits sichtbar?
Schon jetzt kann man Veränderungen sehen: So nimmt die Häufigkeit und Schwere von Dürren, Regenfluten und Stürmen erheblich zu, wie man auch den Bilanzen der Versicherer entnehmen kann. Wir hatten die große Trockenheit am Horn von Afrika, aber wir sehen auch die Stürme in Großbritannien.
Welche Chancen geben Sie dem Gipfel in Bonn?
Die Politiker werden sich einigen müssen. Schließlich ist selbst die Wirtschaft schon weiter: So hatte die Modernisierung der Energieversorgung in China den Nebeneffekt, dass der Ausstoß von Klimagasen um 10 bis 12 Prozent zurückging. Eigentlich ging es nur darum, die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Also bringen Investitionen in die Energieversorgung schon jetzt Entlastungen, wenn nur moderne Technologien genutzt werden. Deshalb erwarte ich, dass wir den Kioto-Prozess positiv abschließen. Allerdings sind noch viele Fragen zu klären.
Sie meinen zwischen der EU und den USA?
Nicht nur zwischen EU und USA. Sondern auch mit den Entwicklungsländern. Insbesondere die kleinen Inselstaaten wollen wissen, wie ihnen geholfen wird, sich auf den Klimawandel einzustellen. Im Gespräch ist ein Anpassungsfonds. Die armen Länder erwarten, dass wir ihnen da entgegenkommen. Auch erwarten sie einen Transfer moderner Technologie, damit sie sich entwickeln können, ohne das Klima so zu belasten, wie es bei uns der Fall war.
Wie ist die Stimmung bei den Unterhändlern der Entwicklungsländer?
Es gibt dort viel Frustration. Wichtige Versprechen vom Erdgipfel 1992 in Rio, wo auch der Klimaprozess eingeleitet wurde, sind ja in drastischer Weise nicht eingehalten worden.
Was zum Beispiel?
Damals wurde versprochen, den Anteil der Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung ansteigen zu lassen. Damals lag er bei 0,4 Prozent. Inzwischen ist er aber nicht gewachsen, sondern sogar drastisch geschrumpft auf 0,24 Prozent. Das frustriert.
Sie haben 1.500 Wissenschaftler zusammengerufen für eine neue Bestandsaufnahmen der Umwelt. Wissen wir nicht schon genug?
Wir wissen viel über den Zustand der Umwelt, aber noch viel zu wenig über die Ursachen und die Dynamik der Zerstörung. Die Umwelt ist ja ein gewaltiger Schatz: Es sind Trillionen Dollar an Werten, die wir ihr jährlich mehr oder weniger kostenlos entnehmen. Da ist es natürlich wichtig, zu wissen, wo die Leistungsgrenzen der Natur sind. Wenn wir sie unbewusst überlasten, hat das gewaltige Konsequenzen.
Haben Sie ein Vorbild?
Mein Vorbild ist das Intergovernmental Panel on Climate Change, das IPCC. Dessen Bewertung des Klimawandels und der Folgen hat der Politik erst erklärt, was zu tun ist – und sie so unter Handlungsdruck gesetzt. So etwas wünsche ich mir auch für die Artenvielfalt, für die Änderung der Böden und der Meere.
Was kommt nach den Klimaverhandlungen?
Wir brauchen auch in anderen Fragen konkrete Ziele. Ich wünsche mir, dass der Erdgipfel in Johannesburg im kommenden Jahr da neue Akzente setzt. Lassen Sie uns festlegen, dass wir in den nächsten zehn Jahren die Zahl der Menschen halbieren, die keinen gesicherten Zugang zu Trinkwasser haben. Lassen Sie uns die Wirtschaft wachsen lassen, ohne die Artenvielfalt weiter einzuschränken. Lassen sie uns konkret festlegen, die Äbfälle weltweit zu verringern. Lassen Sie uns zu einem „New Deal“ kommen, in dem endlich auch bewertet wird, was die Entwicklungsländer einbringen an Ressourcen und Artenvielfalt. INTERVIEW: MATTHIAS URBACH
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