Gehe nicht zur G 8

Oberverwaltungsgericht urteilt: Zwei Berliner müssen während des Gipfels in Genua daheim bleiben und sich täglich bei der Polizei melden

BERLIN taz ■ Das Oberverwaltungsgericht Berlin hat gestern die Beschwerden zweier Berliner gegen die „Ausreiseverbote“ zum G-8-Gipfel in Genua abgewiesen. Wie berichtet müssen sich beide zwischen dem 15. und dem 22. Juli täglich bei der Polizei melden, auch wurde der Geltungsbereich ihrer Reisepässe zeitlich beschränkt. Das Gericht erklärte, dem öffentlichen Interesse an der Verhütung von Straftaten gebühre der Vorrang vor den Interessen der Betroffenen, von Meldeauflagen verschont zu bleiben. Angesichts der Sicherheitsinteressen beim Weltwirtschaftsgipfel stellten die Meldeauflagen gegen die beiden Globalisierungsgegner eine „zumutbare Unannehmlichkeit“ dar. Die Betroffenen wollen nun Beschwerde beim Landesverfassungsgericht einlegen. Allein in Berlin sind mindestens gegen sieben Personen „Reiseverbote“ verhängt worden.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele kritisierte gestern das Vorgehen der Behörden. Maßnahmen, die die Wahrnehmung „eines Grundrechts ohne überprüfbare konkrete Gründe verhindern, verstoßen gegen Grundsätze europäischen Verfassungsrechts“.

Möglich wurden die jetzt bestätigten „Reiseverbote“ mit einer Änderung des Pass- und Personalausweisrechts im Jahr 2000. Diese zielte aber auf einen ganz anderen Bereich – den der Bekämpfung „des Rowdytums im Zusammenhang mit internationalen Sportveranstaltungen“. Als die Regierung ihren Gesetzentwurf vorlegte, hieß es zur Zielsetzung: „Aufgrund der in der Vergangenheit aufgetretenen gewalttätigen Ausschreitungen von deutschen so genannten Hooligans im Ausland ergibt sich die Notwendigkeit, derartigen auch zukünftig zu besorgenden Straftaten wirksam entgegenzutreten.“ Vor der Novelle galt, dass der sich strafbar macht, wer das Land verlässt, obwohl ihm ein Pass zuvor „verwehrt“ wurde. Das Gesetz wurde um den Begriff der „Passbeschränkung“ erweitert. Seither gilt: Mit Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr kann bestraft werden, wer einen Pass besitzt, die ihm auferlegten Beschränkungen aber missachtet.

Daran erinnerte gestern Ströbele: „Wer das Grundrecht auf friedliche Versammlungsfreiheit wahrnehmen will, darf nicht wie ein ertappter Fußball-Hooligan behandelt werden.“ Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz betonte gegenüber der taz, dass friedliche Demonstranten und Hooligans nicht in einen Topf geworfen werden dürften. Gesehen werden müsse aber auch, „dass es Hooligans nicht nur auf dem Fußballplatz, sondern auch beim Demonstrationsgeschehen gibt“.

WOLFGANG GAST