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Herausforderung an Nigerias Militär

Die Wahrheitskommission, die Verbrechen der Militärdiktatur untersucht, erlässt Haftbefehl gegen Armeestabschef

COTONOU taz ■ Kurz vor dem Ende ihrer Arbeit wird es der Wahrheitskommission in Nigeria doch noch zu bunt. Die von Richter Oputa geleitete Kommission, die die Verbrechen von Nigerias Militärdiktatoren der letzten 35 Jahre untersucht, hat Haftbefehl gegen einen der ranghöchsten Militärs ausgestellt – ein unerhörtes Vorgehen. Armeegeneralstabschef Alexander Ogomudia habe seine Missachtung für die Wahrheitskommission zum Ausdruck gebracht, indem er einen vorgeladenen Soldaten nicht vorführen ließ, erklärte die Kommission in der Hauptstadt Abuja. Der Soldat Hashim Abubakar soll 1998, in den letzten Monaten des Diktators Sani Abacha, an einer illegalen Kommandoaktion beteiligt gewesen sein.

Es ist nicht das erste Mal, dass Zeugen nicht vor der nigerianischen Wahrheitskommission erscheinen. Seit Ende vergangenen Jahres versucht die siebenköpfige Jury Licht ins Dunkel der nigerianischen Vergangenheit zu bringen. Den staatlichen Terrorismus zu rekonstruieren, erwies sich als keine leichte Aufgabe – aber noch schwieriger wurde es, weil die Wahrheitskommission nie juristische Befugnisse bekommen hat wie ihr Vorbild in Südafrika. Sie kann praktisch nur Empfehlungen abgeben.

Viele sprechen deshalb von einer zahnlosen Institution. Will jemand nicht erscheinen, haben der Vorsitzende Chukwudifu Oputa und seine sechs Kollegen keine Handhabe. Dennoch lehnt die gegenwärtige demokratisch gewählte Regierung es ab, der Jury mehr juristische Kompetenzen zu geben. Dies erklären sich viele Nigerianier damit, dass immer noch einflussreiche Politiker Angst davor haben, selbst am Ende als Angeklagte dastehen zu können. Es verwunderte somit auch kaum jemanden, dass ehemalige Militärchefs wie Ibrahim Babangida, Abdulsalami Abubakar und auch der jetzige Präsident Olusegun Obasanjo nicht vor der Kommission auftraten, wenn jemand sie als seine Peiniger bezichtigte und sie sich hätten rechtfertigen sollen.

Wie wirkungsvoll der Haftbefehl gegen den Stabschef sein wird, bleibt fraglich. Seine Legitimität ist juristisch umstritten. Auch ist unsicher, ob die Polizei es wagen würde, einen der höchsten Offiziere unter Arrest zu nehmen. Nicht nur in Zeiten der Militärherrschaft sahen die Soldaten ihre Polizeikollegen als niedere Erfüllungsgehilfen an. Es wird auch nicht erwartet, dass Präsident Obasanjo dem Haftbefehl Nachdruck verleihen wird. Denn Stabschef Ogomudia wurde erst vor wenigen Monaten von Obasanjo ernannt und gilt als sein Gefolgsmann. Dennoch setzt die Wahrheitskommission ein Zeichen: Sie stellt die Machtfrage. HAKEEM JIMO

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