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„Dass eine andere Welt möglich ist“

■ Prügelpolizei und Wasserwerfer: Eine Bremerin war in Genua dabei

Das erste Mal kam die Angst, als sie vor der roten Zone stand und Polizisten in die Gruppe „einfach reingeprügelt“ haben. Gesche Schauenburg, 19, Abiturientin aus Vegesack, erinnert sich an drei Tage Genua. Es war Gesches erste größere Demo. Sie hatte über das Verdener Büro des Anti-Globalisierungs-Netzwerks Attac einen Platz im Bus bekommen. 34 Stunden im Bus hin, mit stundenlangem Warten und gründlichem Gefilze sowohl an der deutschen, als auch an der italienischen Grenze. Zelt aufbauen im Camp zehn Kilometer außerhalb, mitten in der Nacht, strömender Regen, Matsch.

Am Freitag dann der Marsch zur roten Zone. Gesche hatte sich dem Zug der kommunistischen Gruppen angeschlossen. Sie seien in „Bezugsgruppen“ gelaufen, flankiert von Organisatoren, die per Megaphon Anweisungen gaben – alles war friedlich. Als sie die Absperrung zur roten Zone erreichten, rüttelten einige am Zaun, andere warfen die Stöcke ihrer „Transpis“ – Transparente – über die Absperrung. „Aber das waren höchstens drei Stöckchen oder so.“ Worauf erst die Wasserwerfer spritzten und dann „30, 40 Polizisten einfach reingeprügelt“ haben. Es kam die Angst und dann die Panik. Die Gruppen brachen auseinander, die Organisatoren riefen die Demonstranten auf, stehen zu bleiben, zusammen, ruhig zu bleiben.

Irgendwann war Gesche auf dem Weg zur Piazza Dante, dort, wo die Leute von Attac Mandalas malten und Luftballons über die meterhohe Absperrung steigen ließen. „Ein lächerliches Bild“, erinnert sich Gesche, „die schwerstbewaffneten Polizisten, zu denen die Demonstranten Luftballons rübergeworfen haben.“

Zu den Attac-Organisatoren gehört Oliver Moldenhauer, 30. Er war auf der Piazza Dante dabei, alles sei „relativ friedlich“ verlaufen. Als schon zwei Drittel der Menschen den Platz verlassen hatten, so Moldenhauer, habe die Polizei plötzlich Tränengasgranaten in die Menge geworfen. Ohne Vorwarnung. Moldenhauer: „Es war gut, schnell zu laufen.“

Am Abend dann die Nachricht vom Tode eines Demonstranten. „Ich musste weinen“, sagt Gesche, „der war aus den gleichen Gründen wie ich da. Er war erst 23 und das war es jetzt einfach für ihn.“ Das Bild von der Feuerlöscher-Attacke des getöteten Carlo Giuliani hat sie inzwischen auch gesehen. „Aber es ist pervers, jemanden aus eineinhalb Metern Entfernung in den Kopf zu schießen. Das muss man nicht. Nie.“

Gesche hat die harten Ausschreitungen und den „schwarzen Block“ kaum erlebt, Oliver Moldenhauer auch nicht. Bei der Demonstration am Samstag blieb Moldenhauer im friedlich protestierenden Attac-Zug. „Großartig“ sei es gewesen, wie viele Menschen demonstriert hätten, die Gewalt allerdings fand er „scho-ckierend.“ Ein „Bild der Verwüs-tung“ habe sich ihm geboten. Für den Demonstrations-Erfahrenen hatte die Gewalt der Polizei eine „neue Qualität“: „Es gab überhaupt keine Kommunikation mit der Polizei“. Nur Tränengas, sofort, ohne Warnung.

An Moldenhauers Glaube an Gewaltfreiheit ändert sich dadurch aber gar nichts. Für Gesche gilt dasselbe. Sie hält es für „total motivierend“, dabei gewesen zu sein. Viel besser, „als zu Hause vorm Fern-seher zu sitzen und zu sagen, jaja, stimmt schon.“ Die friedlich demonstrierenden Menschen in Genua, findet Gesche, „haben gezeigt, dass eine andere Welt möglich ist.“

sgi

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