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Tampons als Waffe

Die italienische Polizei präsentiert die „Erfolge“ ihrer Prügelorgie im Genoa Social Forum. Fragen beantwortet sie erst gar nicht. Sie wird wissen, warum

aus Rom MICHAEL BRAUN

So also muss man sich das klassische Instrumentarium des Schwarzen Blocks vorstellen: Im Polizeipräsidium füllten ein Haufen Fotoapparate und Handys den Tisch, daneben natürlich schwarze Kleidungsstücke (T-Shirts, eine Lederjacke), eine Sammlung von kleinen Küchen- und Schweizer Messern, eine Flasche After Sun, Tampons, Tempotücher, eine Thermoskanne.

Die schlichte Fülle an „Beweisstücken“ sollte wohl davon ablenken, dass zwei Mollis (die die Polizei selbst mitgebracht haben kann), eine Hacke und ein paar Stahlstangen die ziemlich dürftige Ausbeute des Großeinsatzes in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag waren: der nächtlichen „Hausdurchsuchung“ – sprich der barbarischen Prügelorgie – im Genoa Social Forum (GSF) und dem gegenüberliegenden Schulgebäude (in dem Demonstranten nächtigten). Angesichts der Beweislage überraschte es nicht, dass die Polizeiführung bei ihrer Pressekonferenz die Beantwortung von Fragen ablehnte. Fragen wie die einer BBC-Kollegin: „Gelten nach italienischem Recht jetzt Thermoskannen als Waffe?“

Die Polizei behauptet, die zu Dutzenden mit Ambulanzen Abgefahrenen hätten sich schon vorher auf der Demo verletzt. Dummdreister geht es nicht: Wer – wie der taz-Korrespondent – den Abtransport der aus frischen Wunden Blutenden beobachtete, wer die großen Blutlachen auf dem Fußboden der Schule, die blutverschmierten Wände und Heizkörper sah, weiß es besser.

Und schließlich stellt sich die Frage nach dem Schicksal der 96 Personen, die erst zusammengeschlagen und dann verhaftet wurden. Sie müssen mit einer Anklage wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung zum Zwecke der Plünderung“ rechnen. Allerdings dürfte die Anklage angesichts der rechtswidrigen Umstände der als Gewaltorgie abgewickelten Durchsuchung vor Gericht keinen Bestand haben. Weder lag ein Durchsuchungsbeschluss vor noch war der Staatsanwalt informiert worden, wie das italienische Recht in diesen Fällen vorschreibt; und erst recht erhielten Rechtsanwälte keinen Zutritt.

Bezeichnend war, dass die wichtigsten Fundstücke auf dem reich gedeckten Tisch fehlten: einige Computerfestplatten des Rechtsanwaltsbüros des GSF sowie zahlreiche Videos von Indymedia. Offenbar galt es, kompromittierende Aussagen und Dokumente über das Verhalten der Ordnungshüter während der G-8-Tage einzusammeln.

Und es galt, schlicht durch das Stattfinden der Aktion, die öffentliche Sicht der Dinge umzudrehen. „Sie sind alle Kriminelle“, titelte gestern das Rechtsblatt Libero: „Sie“, die vom Genoa Social Forum und den „weißen Overalls“. Ins gleiche Horn stoßen mittlerweile auch Zeitungen wie der Corriere della Sera und die Stampa.

Doch diese Übung wird kaum Erfolg haben. Zu viele Zeugenaussagen von allen Demonstrationsschauplätzen, zu viele Foto- und Videoaufnahmen liegen vor, die das Wirken der Polizei dokumentieren. Und mittlerweile hat das GSF Bildmaterial vorgelegt, das friedlich vereint Uniformierte und als Schläger verkleidete Beamte zeigt. Für die, die in der Nacht des Einsatzes am GSF waren, bedurfte es dieses Materials gar nicht mehr: Mitten unter ihren Kollegen stand eine Beamtin in Punk-Look, schwarzem T-Shirt mit Anti-G-8-Parolen, Tätowierung am Arm und zeigte sich so Dutzenden Journalisten und Kameramännern. Mit Verlaub, dümmer als die Polizei erlaubt.

Doch Silvio Berlusconi sieht keinen Grund, von der Polizei abzurücken. Hervorragend habe sie gearbeitet, ließ er wissen. Die konstruierte, auf die Kriminalisierung jeden Protestes zielende Gleichung zwischen dem GSF und dem Schwarzen Block machte er sich auch zu Eigen. Die Verantwortung für den Nachteinsatz mochte er nicht übernehmen: Davon habe er erst am nächsten Morgen erfahren.

Solidarisch zeigt sich die Regierung auch mit dem Carabinieri-Beamten, der den 23-jährigen Carlo Giuliani erschoss. Von der Staatsanwaltschaft ist zur Zeit nur zu erfahren, dass sie wegen Totschlags ermittelt. Doch Vize-Ministerpräsident Gianfranco Fini hat den Täter schon freigesprochen: Bei dem Schuss habe es sich ohne jeden Zweifel um Notwehr gehandelt.

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