Truppe: Attraktiv und preiswert?

Das Kabinett verabschiedet ein „Attraktivitätsprogramm“ für die Bundeswehr: Verkürzter Wehrdienst, mehr Sold, frühere Rente. Zugleich drohen Verteidigungsminister Scharping Schadenersatzklagen von radar- und asbestgeschädigten Soldaten

von HEIDE OESTREICH

Nach den jüngsten Kämpfen in Mazedonien ist unklar, wann es zu einem Einsatz der Bundeswehr in dem Krisengebiet kommt. Die Lage in Mazedonien habe sich verschlechtert und sei unübersichtlich, sagte Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping gestern in Berlin. Es gebe keine Prognosen, ob und wann die Bedingungen der Nato erfüllt seien, und dementsprechend auch noch keinen festen Termin für eine Sondersitzung des Bundestags, der den Einsatz beschließen müsste. Dies war zuvor in der Presse vermeldet worden. Er bereite sich auf seinen Urlaub ab dem 11. August vor, erklärte Scharping. Was bis dahin passiere, müsse man beobachten.

Unterdessen hat das Kabinett den ersten Schritt der Bundeswehrreform gebilligt. Damit soll die Bundeswehr, der seit längerem der Nachwuchs fehlt, als Berufsfeld attraktiver werden und gleichzeitig sparen. Der Wehrdienst wird deshalb auf neun Monate verkürzt und kann in Zukunft in mehreren Abschnitten abgeleistet werden, von denen der erste sechs Monate lang sein soll. Der Zivildienst wird dementsprechend auf zehn Monate verkürzt. Im Rahmen dieses „Attraktivitätsprogramms“ erhöht das Verteidigungsministerium den Sold mehrerer Dienstarten und ermöglicht, dass sich Zeitsoldaten vermehrt in ihren Zivilberufen aus- und fortbilden können. 3.000 Berufssoldaten werden in den nächsten fünf Jahren in den vorzeitigen Ruhestand entlassen, damit jüngere Kräfte nachrücken können. Im zivilen Bereich werden Stellen abgebaut, um im Gegenzug die Zahl der Berufssoldaten zu erhöhen.

Besonders attraktiv wirkt die Bundeswehr derzeit wahrlich nicht. Die Vorwürfe, sie schere sich wenig um die Sicherheit ihrer Soldaten, häufen sich: So hatte Scharping zwar angekündigt, eine „großzügige Lösung“ für Soldaten, die durch radioaktive Strahlen aus Radargeräten krank wurden, zu finden. Doch zieht er sich de facto auf den „Verordnungsweg“ zurück, den er nicht verlassen könne. Der Verordnungsweg aber sieht eben die Beschädigtenrente vor, die den Opfern lächerlich schmal erscheint. Ähnliches könnte nun im Fall von asbestgeschädigten Soldaten passieren: Etwa 2.000 ehemalige Soldaten, die auf Schiffen der Marine oder bei der Luftwaffe mit Asbest in Berührung gekommen sind, haben sich bei „Odin“, dem Organisationsdienst für nachgehende Untersuchungen der Bundeswehr, gemeldet und werden dort in einer Langzeitstudie beobachtet.

15 von ihnen stellten einen Antrag auf Beschädigtenrente, doch noch kein Fall ist abschließend behandelt, so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums zur taz. Auch in diesen Fällen drohen nun laut einem Bericht der Bild-Zeitung Klagen. Dem Anwaltsbüro Rainer Geulen, das die Strahlenopfer vertritt, ist allerdings kein Kläger bekannt, der durch Asbest geschädigt wurde. „Wir halten das Problem gleichwohl für brisant“, sagte der Partner von Geulen, Remo Klinger, der taz.

Zudem sollen die auf dem Balkan eingesetzten Schützen- und Spürpanzer nicht minensicher sein. Diese Tatsache hatte das Verteidungungsministerium am Sonntag eingeräumt. Die Bundeswehr habe aber dementsprechende Schutzregelungen erlassen, nach denen sich diese Panzer in unbekanntem Gebiet zu bewegen hätten. Dass dieses Sicherheitskonzept funktioniere, zeige sich daran, dass es bei den deutschen Truppen noch keine Minenunfälle gegeben habe, sagte Scharping gestern. Sobald die Vorschläge zur Nachrüstung dieser Panzer auf seinem Tisch lägen, so Scharping, würde das Verteidigungsministerium sie anordnen.