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Müller dimmt Solarstrom runter

Per Erlass kürzt Wirtschaftsminister Müller überraschend die Förderung für Solarzellen – ohne Abstimmung mit dem Koalitionspartner. Grüne „stocksauer“. Sie wollen die Richtlinie nach der Sommerpause im Bundestag gleich wieder einsacken

aus Berlin NICK REIMER

Pünktlich zur Verabschiedung des Kioto-Protokolls dampft der Wirtschaftsminister die Solarförderung ein. Und das ganz diskret. Im aktuellen Bundesanzeiger veröffentlichte der für Energiepolitik federführende Werner Müller (parteilos) auf Seite 15.434 die neuen „Richtlinien zur Förderung von Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien“. Nach diesen wird die Errichtung von Solarkollektoren typunabhängig mit 170 Mark je Quadratmeter Kollektorfläche gefördert. Maximal gezahlt werden 50.000 Mark je Anlage.

Klingt gut, ist es aber nicht. Bisher gab es nämlich 250 Fördermark für jeden Quadratmeter Flachkollektor, für die wesentlich effizienteren Vakuumkollektoren gar 325 Mark. Der Etat des bei Müller angesiedelten „Marktanreizprogramms“ soll laut einer Kabinettsvorlage von derzeit 300 Millionen Mark jährlich ab 2002 nur noch 170 Millionen umfassen. Ursprünglich sollte erst nach der Sommerpause über Müllers Pläne beraten werden. Mit der Veröffentlichung seiner Richtlinie ist der Wirtschaftsminister jetzt vorgeprescht: Die neuen Fördersätze gelten ab sofort. Müller will damit die vom Haushaltsplan vorgegebenen Einsparungen umsetzen.

Weniger diskret reagieren die Grünen: Sie sind „stocksauer“ und protestieren „aufs Schärfste gegen Müllers Alleingang“. Das erklärte die energiepolitische Sprecherin Michaele Hustedt gestern gegenüber der taz. Der Schritt sei weder mit den Fraktionen noch mit dem Umweltministerium abgestimmt. Der grüne Solarexperte Hans-Josef Fell warf Müller vor, „getroffene Vereinbarungen zu unterlaufen“. Fell forderte, die Richtlinie „umgehend außer Kraft zu setzen“.

Entsetzte Reaktion auch aus der Solarwirtschaft. „Aus Sicht des Klimaschutzes absolut kontraproduktiv“, urteilt Carsten Körning, Geschäftsführer der Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft. Die Richtlinie sei ein schwerer Schlag gegen die mittelständische Solarwirtschaft. Im letzten Jahr feierte die 50 Prozent Zuwachs – dank der Förderung.

Weil Sommerpause ist, können die grünen Abgeordneten derzeit wenig gegen Müller ausrichten. Trotzdem rät Michaele Hustedt der Solarwirtschaft, nun nicht in Panik zu verfallen: Gleich in der ersten Sitzungswoche werde man die Richtlinie des Wirtschaftsministers kassieren. „Wir werden durchsetzen, dass das Programm nicht abgebaut, sondern um 100 Millionen Mark aufgestockt wird“, so Hustedt. 2002 stünden dann 400 Millionen Mark durch das Programm zur Verfügung. Hustedt: „Völlig egal, was Müller macht. Nach der Sommerpause wird er sich dem Willen der Regierungsfraktionen beugen müssen. Und der lautet: Solarenergie fördern.“

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