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Martin Dannecker

wurde 1942 im Schwäbischen geboren. Er arbeitet als Professor am Institut für Sexualwissenschaft an der Universität Frankfurt am Main. Anfang der Siebzigerjahre untersuchte er zusammen mit Reimut Reiche das Leben von schwulen Männern. Titel der Studie bei ihrer Veröffentlichung 1974: Der gewöhnliche Homosexuelle (die nur noch antiquarisch erhältlich ist). Dannecker lebt in Frankfurt.

Literatur: Martin Dannecker, Reimut Reiche: Sexualität und Gesellschaft, Campus, Frankfurt am Main 2000, 430 Seiten, 78 Mark; Ilona Bubeck: Unser Stück vom Kuchen? Zehn Positionen gegen die Homoehe, Querverlag, Berlin 2000, 146 Seiten, 24,80 Mark

Verlorene Orte

Bis in die Neunzigerjahre hinein existierte selbst in Kleinstädten ein dichtes Netz öffentlicher Toiletten, im Szenejargon Klappen genannt. Dort, aber auch in Parks mit dichter Vegetation, trafen sich Schwule – zum Sex, zugleich aber auch, um einander überhaupt zu treffen. Mittlerweile sind die Klappen fast ausnahmslos durch Einpersonenkabinen ersetzt worden. Eine öffentlich präsente Infrastruktur Homosexueller, wie sie seit Anfang der Siebzigerjahre vor allem in den Metropolen gewachsen ist, war für Schwule älterer Generationen nicht vorhanden: Soziale Orte für Schwule waren vornehmlich an die Initiation des Sexuellen gebunden.

Die Kommunen schaffen seit Jahren mehr und mehr diese Plätze ab. Sie werden planiert, geschlossen oder gestutzt. Der Grund: Männer, die auf Klappen wirklich nur urinieren wollten, beschwerten sich bei den Aufsichtsämtern über Belästigung durch Homosexuelle; Gartenämter und Autobahnaufsichtsbehörden begannen, Gebüsche auszudünnen.

Umstritten ist nun, ob diese verschwindenden Orte ohnehin in Zeiten mächtiger Homostrukturen überflüssig werden – und ob nicht sowieso die Nachfrage nach dieser Form der flüchtigen Sexualität abgenommen hat. Oder ist die faktische Zerstörung einst sehr wichtiger schwuler Orte einer (homophoben) Strategie der Hygienisierung der Öffentlichkeit geschuldet?

Sicher ist, dass es nach wie vor Orte gibt, an denen voraussetzungslos Sex genossen werden kann: in Saunen. Selbst in München wurde die Eröffnung eines kombinierten Wellness- und Dampfbades nach dem Ende der Aidshysterie wieder erlaubt. Und in Sachsen (Leipzig zum Beispiel) gehören schwule Bade- und Ficklandschaften (samt Gastronomie) zu den prosperierendsten Einrichtungen der Queer Community überhaupt. JAF

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