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K.o. gegen Aufbaugegner

Die bisherige Boxhoffnung Thomas Ulrich muss gegen Außenseiter Glen Johnson den ersten Niederschlag seiner Karriere hinnehmen. Dem Universum-Boxstall gehen nun die Talente aus

„Ich habe meine letzten zwei Kämpfe auchverloren und bin doch zurückgekommen. So kann es Thomas auch schaffen“

von MARTIN KRAUSS

Der Saal des Neuköllner Estrel Convention Centers war schon beinahe leer, da stand dieser Glen Johnson immer noch vor einem Fotografen in jeder erdenklichen Jubelpose im Ring: mal die Arme gestreckt nach oben, mal leicht angewinkelt, mal stark angewinkelt. Der Boxer, der am Sonnabend überraschend den Berliner Halbschwergewichtler Thomas Ulrich – laut BZ „Berlins schönster Boxer“ – in der sechsten Runde ausknockte, weiß, wie er mit den Medien umzugehen hat.

Das Berliner Publikum – etwa 4.000 waren ins Estrel gekommen – war not amused: Die Tickets hatten noch einen Kampfabend mit „Dr. Witali Klitschko“ angekündigt, doch der hatte schon vor Wochen wegen einer Knieverletzung abgesagt. Als Hauptkämpfer war nun Thomas Ulrich aufgerückt, für den der Veranstalter, die Universum-Box-Promotion aus Hamburg, eine leicht durchschaubare Stallpolitik festgelegt hat: Der 26-Jährige bekommt immer Gegner, die der Supermittelgewicht-Weltmeister Sven Ottke – bei Universums Konkurrent Sauerland unter Vertrag – nur durch Punktentscheid besiegen konnte.

Wenn Ulrich die ausknockt, wird er in der Gunst des Publikums zwangsläufig als besserer Boxer erscheinen, ist die Überlegung im Universum-Stall – und irgendwann einen Ottke-Kampf bekommen, den gewinnen und dann vielleicht sogar den Weltmeistertitel von seinem alternden Stall-Kollegen Dariusz Michalczewski holen. Bislang ging das gut, Ulrich hatte als Profi einen sauberen Kampfrekord von 20 Siegen in 20 Kämpfen.

Auch Glen Johnson war so ein ausgesuchter Aufbaugegner, bei dem die Serie hätte halten sollen: 32 Jahre alt, die letzten zwei Kämpfe verloren. Im November 1999 war er Ottke nach Punkten unterlegen. Und weil gar nichts schief gehen sollte, hatte man für diesen Kampf um den – nicht allzu bedeutenden – Titel des Intercontinental Champion der WBO, eine Art Vorstufe für die Weltmeisterschaft, sogar ein rein deutsches Kampfgericht organisiert.

Der Einzige, der nicht mitspielte, war Johnson: Unter teils unflätigen Beschimpfungen des Berliner Publikums („Der Neger boxt typisch amerikanisch, halt falsch“) begann er den Kampf mutig und aggressiv. In der ersten Runde ging er immer wieder in die Halbdistanz, schüttelte Ulrich sogar einmal mit einem Wirkungstreffer durch und brachte damit den auf einen schnellen Sieg boxenden Spandauer aus dem Konzept. Ab Runde zwei blieb Johnson auf Distanz, setzte ein paar Treffer auf der Innenbahn und wechselte immer wieder in den Vorwärtsgang, während Ulrich sichtlich verwirrt nach hinten stolperte. Ab und an setzte der zwar eine gute Doublette, aber meist ohne Wirkung.

In der sechsten Runde gelang dem Rechtshänder Johnson ausgerechnet ein Niederschlag mit der linken Führhand. Der Amerikaner, der mit seiner Sturmfrisur ein wenig aussieht wie eine Kreuzung aus dem jungen George Foreman und Don King, witterte seine Chance. Kaum war der Kampf wieder frei, ging er in Halbdistanz in den Mann, gab dem angeschlagenen Gegner versehentlich sogar einen Kopfstoß und schlug Ulrich dann mit einem Schwinger k.o.

Die Chancen des smarten Boxers aus Spandau auf einen WM-Kampf und damit aufs große Geld sind erstmal gesunken. „Wir haben einen Kampf verloren, keinen Kämpfer“, gab sich Universum-Promoter Klaus-Peter Kohl zwar merkwürdig pathetisch, aber seinem Stall gehen langsam die großen Hoffnungsträger aus. Michalczewski wird älter, die Klitschkos orientieren sich nach Amerika, wo sie im Schwergewicht reüssieren wollen, Juan Carlos Gomez, der kubanische Cruisergewichts-Weltmeister auch. Danach sollte eigentlich Thomas Ulrich kommen.

„Ihr könnt euch sicher alle vorstellen, wie es in mir aussieht“, sagte Ulrich nachher zu den Journalisten, sah dabei allerdings wenig zerknittert aus. „In mir ist eine Welt zerbrochen“, fügte er ähnlich unglaubwürdig hinzu und war sich sicher: „Ich komme zurück.“

Glen Johnson hockte grinsend dabei und sah im gelben Holzfällerhemd weniger wie einer aus, der Ambitionen auf große Titel im Weltboxen hat. „Ich habe meine letzten zwei Kämpfe auch verloren und bin doch zurückgekommen. So kann es Thomas auch schaffen“, lautete sein Rat an Ulrich. „Ich kämpfe gegen jeden. Ich suche hier in Deutschland noch ein paar Halbschwergewichtler, die ich schlagen kann“, sagte er nun mit Stolz, „am liebsten gegen Dariusz Michalczewski oder eine Revanche gegen Sven Ottke. Aber ich würde auch gerne gegen den dreifachen Weltmeister Roy Jones Junior kämpfen.“ Johnson weiß, wie es ist, zu verlieren, und er weiß auch, dass er kurz vor dem Karriereende noch ein paar gute Kampfbörsen gebrauchen kann.

Der Universum-Boxstall hält derweil nach neuen Hoffnungsträgern Ausschau. Einer präsentierte sich am Sonnabend überzeugend: Jürgen Brähmer aus Hamburg schlug den Amerikaner Tony Menefee gleich in der ersten Runde k.o. Nachher analysierte er im besten Uwe-Seeler-Stil: „Ich muss sagen, mein Kampf war wieder kurz. Hat geklappt. Wie öfters.“ So reden wirkliche Champs.

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