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Bunker neu entdeckt

■ Halbzeit bei Bunker-Umbau / In sechs Monaten zieht das St.-Joseph-Stift offiziell in den Koloss aus dem Zweiten Weltkrieg

Solche Wandstärken hat nicht jede Küche: Zwei Meter dicke Außenmauern, die Decken genauso mächtig. Das Fundament: drei Meter Beton. Riesige Fensterlöcher klaffen noch in der Wand. In sechs Monaten soll der Umbau fertig sein und die Zentralküche vom St.-Joseph-Stift in die kühle Masse aus Beton einziehen – vermutlich die erste Krankenhausküche überhaupt, die in einem Weltkriegsbunker Platz findet. Gestern wurde schon mal Umbau-Richtfest gefeiert.

Dabei gibt es in Bremen derzeit immer mehr Interessenten für alte Bunker. Vier von insgesamt 114 solcher Kolosse sind inzwischen in private Hände verkauft worden. Und seit ein Bremer Architekt werbewirksam sein Haus auf einen dieser Bunker baute, haben sich schon weitere Anwärter für den Bunkerkauf gemeldet. „Es laufen diverse Verfahren“, berichtet auch das Innenressort. Noch sind dort 59 Bremer Schutzräume aufgelistet, die im Katastrophenfall minder-wichtig und daher veräußerbar wären.

Auch auf den großen Bunker am St.-Joseph-Stift konnten Land und Bund als Zufluchtsstätte für Notfälle komplett verzichten, so dass der Innensenator dem Krankenhaus den Koloss vor vier Jahren ganz überließ. 2.000 Personen sollten unter den starken Mauern ursprünglich Schutz finden. Im Krieg wurden vor allem die Operationssäule des Krankenhauses in den Bunker verlegt.

„Ehrlich gesagt, wollten wir den Bunker ursprünglich lieber abreißen und einen Neubau planen“, bekennt Architekt Holger Gestering. Schließlich wurde der Umbau mit 9,5 Millionen Mark veranschlagt. Ein Abriss hätte dagegen 'nur' 1,5 Millionen Mark gekostet, allerdings plus Neubau, plus schätzungsweise 1.200 Lastwagenladungen voll Geröll, die man durch die Nachbarschaft gequält hätte.

Aber selbst ohne Abriss haben die Umbauarbeiten ganz schön an den Nerven der Mitarbeiter und Anwohner gerüttelt. Im Frühjahr standen für rund vier Wochen beinahe stündlich Explosionen an, um die vier Etagen und einige Lichtlöcher rauszureißen. Was als „sanfte Sprengung“ angekündigt wurde, hat aber allein im gegenüberliegenden Verwaltungstrakt zehn Fens-terscheiben eingedrückt. Die Anwohner klagen seitdem über feine Haarrisse in ihren Häusern, die laut Architekt Gestering jetzt in einer Begehung überprüft werden sollen.

Einen zweiten und kleineren Bunker hat das Krankenhaus jetzt ebenfalls in unmittelbarer Nähe erworben. Preis: 100.000 Mark. Wandstärke: 1,5 Meter. Der Abriss allerdings ist fest geplant, um den Anbau des Krankenhauses dort hochzuziehen. pipe

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