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Brandanschlag auf Roma

Unbekannte attackieren in Wildau eine Roma-Familie mit Molotow-Cocktails. Die Stadtverwaltung vermutet, die Täter seien nicht aus Wildau, die Polizei sieht keinen rechtsextremen Hintergrund

von DIRK HEMPEL

Sie waren kaum 15 Stunden im brandenburgischen Wildau, da wurden sie mit Molotow-Cocktails angegriffen. Bisher unbekannte Täter warfen in der Nacht zum Montag mehrere Brandflaschen auf den Wohnwagen einer Roma-Familie. „Nur um Haaresbreite sind wir an einer Katastrophe vorbeigeschlittert“, sagt Bernd Struck vom Ordnungsamt Wildau. Den Roma gelang es, das Feuer zu löschen, es entstand nur geringer Sachschaden.

Gegen vier Uhr nachts erwachte die fünfköpfige Familie von einem lauten Knall direkt neben dem Wohnwagen. „Wir schauten aus dem Fenster und sahen die Flammen lodern“, sagt die Mutter. Schrecken und Angst sind noch deutlich in ihrem Gesicht ablesbar. „Wir löschten, aber ich hatte die große Furcht, dass wir angegriffen werden.“

Erst Sonntagmittag vor dem Angriff hatte sich die Roma-Familie zusammen mit etwa 20 anderen Familien und deren Wohnwagen auf der Wiese am Stadtrand von Wildau niedergelassen. Es ist nicht gerade ein idyllisches Plätzchen: Oberhalb der Wiese rauscht der Verkehr des Berliner Rings entlang, die Bundesstraße nach Königs Wusterhausen sorgt auch für Lärm. Ansonsten ist hier nichts los, nur selten kommen Passanten vorbei.

Und wenn, dann führen sie offenbar nichts Gutes im Schilde. Schon am Sonntag seien sie beschimpft worden, berichten die Roma übereinstimmend. „Ausländer raus“ und „Verschwindet hier“ sei ihnen zugerufen worden. Die Rufer: junge Männer mit kurzen Haaren, offenbar Anhänger der rechten Szene in Wildau oder dem Nachbarort Königs Wusterhausen.

Ordnungsamtsleiter Struck, der am Sonntag noch erfolgreich zwischen dem Besitzer der Wiese und den Roma vermittelt hatte – die auf der Durchreise nach Frankreich befindlichen Roma zahlten dem Bauern für die brachliegende Fläche eine „Nutzungsgebühr“ von 400 Mark –, ist entsetzt über den Anschlag. „So sind wir Wildauer nicht“, sagt er und hofft, dass die Täter „nicht aus unserer Gemeinde kommen“. Bürgermeister Gerd Richter (SPD) und sein Parteikollege Struck brachten den Roma gestern Blumensträuße und entschuldigten sich für den Vorfall.

Rechtsextreme Jugendliche gibt es in Wildau allerdings schon. Am Bahnhof und im Neubaugebiet treffen die sich immer, berichtet eine Passantin. Schmierereien oder gar Anschläge seien nach Angabe der Gemeindeverwaltung eher selten.

Die Polizei kann aber nach eigenen Angaben ohnehin kein rechtsextremes Motiv für den Anschlag erkennen. Dennoch ist auch der Staatsschutz an der neunköpfigen Sonderkommission beteiligt. Ein rechtsextremer Hintergrund sei eben auch nicht auszuschließen, erklärte Polizeisprecherin Angelika Christen der taz. Die Betroffenen sehen das anders: „Wenn das keine Nazis waren – wer sonst“, sagt der älteste Sohn der Familie. Und ergänzt: „Wenn die Polizei uns nicht schützen will, müssen wir eben selbst Wachen aufstellen.“ Allerdings überlege man auch, den Platz am heutigen Dienstag vorzeitig zu verlassen.

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