Zwangsscheidung abgelehnt

Die ägyptische Frauenrechtlerin Nawal as-Saadawi und ihr Mann Scharif Hatata mussten sich einem Zwangsscheidungs-Prozess stellen. Nach drei Monaten wurde das Verfahren vor dem Kairoer Familiengericht gestern niedergeschlagen

von HEIKE STRUCK

„Das war noch nicht die letzte Schlacht. Aber es ist ein entscheidender Sieg.“ So kommentierte die ägyptische Frauenrechtlerin Nawal as-Saadawi gestern das Urteil des Familiengerichts in Kairo. Das Zwangsscheidungs-Verfahren gegen sie und ihren Mann Scharif Hatata wurde eingestellt.

„Es ist keine rechtliche Grundlage gegeben“ – mit dieser Begründung folgte das Gericht der Angeklagten. Drei Monate lang war das Verfahren, dessen Anlass Äußerungen as-Saadawis in einem Zeitungsinterview gewesen waren, in der Schwebe gewesen. Der Vorwurf des Privatanwalts Nabih al-Wasch an die 70-Jährige: Sie sei vom Glauben abgefallen und dürfe deshalb nicht mehr mit ihrem 78-jährigen Mann verheiratet sein.

Schon Anfang Mai hatte jedoch Ägyptens Generalstaatsanwalt Mahir Abd al-Wahhab der Frauenrechtlerin zugesagt, dass es zu keiner Anklage kommen werde. Aus Angst vor den immer stärker werdenden Islamisten im Land hatte die Regierung unter Husni Mubarak das zur Scharia gehörende Gesetz, das den Abfall vom Glauben behandelt, nicht abgeschafft, sondern dem Generalstaatsanwalt die alleinige Anklagehoheit gegeben. „Dieses Gesetz muss weg, es ist eine Schande“, finden nicht nur as-Saadawi und Hatata. Intellektuelle, Oppositionelle und Menschenrechtsgruppen in Ägypten fordern, dass das so genannte Hisbah-Gesetz abgeschafft wird.

„Wir sind glücklich miteinander und bleiben auf jeden Fall zusammen“, hatte das Ehepaar mehrfach erklärt. Doch wären as-Saadawi und Hatata tatsächlich gegen ihren Willen geschieden worden, wären sie zur Zielscheibe religiös motivierter Gewalttäter geworden. Diese Gefahr ist auch jetzt noch nicht überstanden. Ägyptische Intellektuelle wurden in den letzten Jahren schon oft Opfer extremistischer Gewalt.

Der Anwalt Nabih al-Wasch hatte das Verfahren angestrengt und mit islamistischen Parolen angeheizt. Bevor er zum Gericht ging, hatte sich der Anwalt beim Mufti von Kairo, dem ägyptischen Religionsführer Nasr Farid Wassil, über as-Saadawi beschwert und eine Kampagne gegen die selbstbewusste und kämpferische Schriftstellerin angezettelt. Der Ankläger, der sich in dem Zwangsscheidungsverfahren äußerst religiös gab, scheint an anderer Stelle weniger Probleme mit der Moral zu haben. So verteidigt er die Zeitschrift An-Naaba, die verboten worden war, nachdem sie mit Sexfotos eines vermeintlich koptischen Mönchs mit nackten Frauen auf dem Titelbild erschienen war.

„Pornografie“ oder „Muslime brauchen keine Anleitung für Sexualität“ – mit solchen Argumenten werden in Ägypten immer wieder Bücher und Zeitungen zensiert. So meldete die Nachrichtenagentur AFP Ende Juni, eine Ausgabe der in Zypern produzierten Zeitung Al-Gurnal sei beschlagnahmt worden. Im Leitartikel sei behauptet worden, knapp die Hälfte aller jungen Männer in Ägypten sei impotent. Sämtliche ausländischen Druckerzeugnisse unterliegen in Ägypten der Vorzensur.

In den Büchern von Nawal as-Saadawi geht es aber nicht um Pornografie, sondern um Politik. Ende der Achtzigerjahre kam ihr letzter Roman „Der Sturz des Imam“ heraus. Sehr eindrücklich beschreibt die Autorin darin eine explosive Verquickung staatlicher und religiöser Gewalt. In Ägypten, wo der islamistisch motivierte Terror in den 90er-Jahren einen Höhepunkt erlebte, stand dieses Buch seit je unter Zensur. „Meine Bücher kann man nur in ein oder zwei Buchläden kaufen“, erzählt as-Saadawi.

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