„Wir brauchen mehr Projekte“

■ Mit einem gleichbleibenden Etat kann Bremens Kulturszene nicht weiter entwickelt werden, glaubt die SPD-Politikerin Carmen Emigholz. Sie fordert Innovationen

Mit der zu Ende gehenden Sommerpause beginnt eine neue Runde im Verteilungskampf um die Kulturförderung. Auch wenn die Fraktionen von SPD und CDU bei ihrer Ankündigung bleiben und den Kulturetat in Höhe von 133,8 Millionen Mark nicht antasten, wird das Geld durch Tarifsteigerungen immer knapper. „Innerhalb dieses Haushalts sind weder Entwicklung noch Profilierungen möglich“, sagt die Sprecherin der Kulturdeputation, Carmen Emigholz (SPD). Sie plädiert deshalb für ein neues Finanzkonzept. Im Klartext: Sie will mehr Mittel aus den Etats der Senatoren für Wirtschaft und Finanzen in die Kultur lenken. Im taz -Interview sagt sie, warum.

taz: Nach dem jetzigen Stand der Senatsbeschlüsse fehlen 4,4 Millionen Mark im nächsten und 6,9 Millionen Mark im übernächsten Jahr. Darüber regen sich Sprecher von Kultureinrichtungen auf. Können Sie die beruhigen?

Carmen Emigholz: Die Fraktionen sind sich einig, den Haushalt in Höhe von 133,8 Millionen Mark fortzuschreiben. Damit würde das Defizit halbiert.

Und was passiert mit dem halbierten Defizit? Die Tarifsteigerungen sind faktisch auch eine Kürzung.

Das stimmt. Deshalb arbeiten wir sehr emsig an einer Konzeption. Wenn den Einrichtungen zugemutet wird, die Tarifsteigerungen selbst zu erwirtschaften, dann müssen wir Anreize für Sonderprojekte schaffen. Ich könnte mir eine dreigliederige Finanzierung außerhalb der Basisfinanzierung aus dem Haushalt vorstellen. Erstens brauchen wir zusätzliche Mittel zur Profilbildung der Stadt. Zweitens brauchen wir Mittel für besondere Projekte. Und drittens sollten wir eine feste Quote aus dem Fonds für langfristige finanzwirtschaftliche Maßnahmen des Finanzsenators ausloben, um Strukturveränderungen in der Kultur möglich zu machen. Das können wir aus meiner Sicht nicht aus dem Haushalt leisten, sondern es muss zusätzlich bereitgestellt werden.

Es gibt dann drei verschiedene Finanztöpfe mit unterschiedlichen Zuständigkeiten?

Ob es die geben wird, ist noch die Frage. Es ist eine Idee, um zusätzliche Initiativbereitschaft zu fördern. Eine Fortschreibung des Kulturhaushalts geht nicht ohne zusätzliche Anreizformen. Es ist ein Ammenmärchen zu glauben, dass innerhalb des gedeckelten Haushalts noch eine Entwicklung und Profilierung möglich ist. Nehmen wir zum Beispiel die Kunsthalle mit ihrer Van-Gogh-Ausstellung im nächsten Jahr. Das Haus darf keine Zitterpartie dadurch erleiden, dass es ein so hochrangiges und teures Projekt machen will. Die Ausstellung wird ihre Kosten sicher wieder einspielen. Aber das Ganze muss auch den Charme haben, dass sich diese Anstrengung für die Kunsthalle lohnt. Beim „Blauen Reiter“ war das nicht der Fall. Für die Kunsthalle blieb da nur ein Gewinn von 100.000 Mark.

Aber das massivste Problem in der Kulturförderung ist die Kurzfristigkeit der Förderentscheidung. Daraus ergibt sich eine sehr schwierige Form von Planungsabläufen in den großen Einrichtungen, aber auch innerhalb der Projekte und Initiativen. Wir wollen das ändern, weil eine kurzfristige Planung teurer ist als eine längerfristige Planungssicherheit.

Wo zum Beispiel?

Das auffälligste Beispiel ist das Tanzfestival Tanz Bremen. Da haben uns die Macher gesagt: Je später sie Agenturen und Künstler ansprechen, desto höhere Preise müssen sie zahlen. Außerdem haben die sehr spät von der Ablehnung der Förderung durch die Bremen-Marketing-Gesellschaft erfahren, und als sie dann zu uns kamen, hatten wir das Geld nicht mehr zur Verfügung.

Was heißt mittelfristig?

Das Ziel muss sein, jeweils zu Beginn einer Legislaturperiode Entscheidungen für die nächsten vier Jahre zu treffen.

Sie wollen zusätzliche Fördertöpfe schaffen. Muss man aus der Geschichte mit dem Tanzfestival nicht eher die umgekehrte Schlussfolgerung ziehen und sagen: Es gibt nur noch eine Instanz, die entscheidet?

Das ist zwar ein berechtigtes Argument. Aber wir arbeiten unter Sanierungsbedingungen. Wir können unter diesen Bedingungen den Kulturhaushalt nicht exorbitant erhöhen. Deshalb müssen wir Modelle finden, die eine gewisse Bewegung für die Stadt möglich machen. Aber das darf nicht zu einem Dschungel von Förderungen führen. Die Ressorts müssen viel enger zusammenarbeiten.

Das klingt nach einer gemeinsamen Annahmestelle?

So ist es. Leider ist das mit der CDU zurzeit nicht drin. Deshalb schlage ich eine Art runden Tisch mit Vertretern der Politik und der verschiedenen Behörden vor.

Sie haben das jährliche Musikfest in Frage gestellt. Der CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff will den jährlichen Turnus erhalten. Geben Sie sich da geschlagen?

Ich habe immer gesagt, dass es zwei Möglichkeiten gibt. Entweder schränken wir den Turnus des Musikfestes auf zwei Jahre ein, damit in anderen Bereichen hochrangige Projekte möglich werden. Oder wir erhöhen die Mittel für Veranstaltungsförderung. Ich finde, wir müssen diese Mittel schlichtweg verdoppeln, um mehr hochrangige Ereignisse wie zum Beispiel das Programm zum zehnjährigen Jubliläum der Weserburg oder ein Sommertheaterfestival meinetwegen auf dem Marktplatz finanzieren zu können. Jens Eckhoff hat diesen Vorschlag aufgegriffen und für eine Verdoppelung des Marketing-Etats von zwei auf vier Millionen Mark plädiert. Das ist ein positives Signal. Offenbar sieht er im Wirtschaftsressort noch Ressourcen.

Sie sehen auch einen Bedarf für mehr Werbung?

Das sehe ich nicht vordringlich. Die Bremen Marketing Gesellschaft macht gute Arbeit. Mir geht es um den Inhalt von Projekten. Aber ich denke, dass auch Jens Eckhoff das Geld nicht nur für Werbung ausgeben will.

Mit Ihren Vorschlägen wollen Sie den Kulturetat doch durch die Hintertür erhöhen. Wie wollen Sie Ihren skeptischen Politiker-Kollegen garantieren, dass aus einer Projektförderung nicht eine Regelförderung wird?

Ich glaube, dass man sich sehr genau angucken muss, wo das geht. Beim Blauen Reiter wurde die Ausfallbürgschaft zurückgezahlt. Das ist auch bei Verwaltungsmodernisierungen denkbar. Stadtbibliothek und Volkshochschule wollen enger zusammenarbeiten. Das muss man unterstützen, auch wenn es zunächst Geld kostet. Auch ein professionelles Management in der geplanten Staatsorchester GmbH wird sich mittelfristig rechnen.

Bürgermeister Scherf engangiert sich in der Kulturstiftung der Länder. Hat Bremen davon etwas?

Ich freue mich, dass unser Bürgermeister das Konzept so engagiert vertritt. Für Bremen kann das positive Effekte haben. Diese Stiftung soll innovative Projekte fördern. Wir haben Bereiche wie die Kammerphilhar-monie, die Künstlerbü-chersammlung der Weserburg oder die Grass-Stiftung, die innovativ arbeiten.

Aber in der Bremer Kulturdebatte tritt Scherf nicht in Erscheinung.

Der Präsident des Senats hält sich generell aus den anderen Ressorts heraus.

Was erhoffen Sie sich vom neuen Kultursenator Kuno Böse?

Ich hoffe, dass er die bisher getroffenen Koalitionsabsprachen als Grundlage seiner Arbeit nimmt. Ich möchte nicht erleben, dass unsere Zusagen ins Wackeln geraten. Ich hoffe, dass Kuno Böse massiv für den Kulturbereich kämpfen wird. Da sind seine Äußerungen, dass die Kultur doch genügend Geld hätte, kontraproduktiv.

Fragen: Henning Bleyl und Christoph Köster