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„Markt allein geht nicht“

Kenan Kolat von der Türkischen Gemeinde in Deutschland über die Vorschläge der FDP: Quotenfreie Einwanderung macht auch Migranten Angst und erschwert die Integration

taz: Die FDP sagt ganz laut „Ausländer rein!“ Freut Sie das?

Kenan Kolat: Grundsätzlich ja. Das trägt zu einer Atmosphäre bei, die wir uns alle wünschen. Ob das FDP-Konzept sinnvoll ist, ist eine andere Frage . . .

Die FDP will jeden ins Land lassen, den die Wirtschaft haben will, und keine Quoten . . .

Von der FDP habe ich nichts anderes erwartet. Aber alles einfach dem Markt zu überlassen, das geht nicht. So kann man auch die Integration nicht in den Griff kriegen.

Die Wirtschaft sagt, dass sie in vielen Branchen nicht genug Arbeitskräfte im Inland findet.

Das Problem ist, ob diese Arbeitskräfte angemessen entlohnt werden. Die Unternehmer möchten am liebsten Billiglöhne zahlen. Aber um seinen Lebensstandard zu halten, braucht man ein bisschen mehr Einnahmen, als die Wirtschaft zahlen möchte.

Es heißt oft, deutsche Arbeitslose seien sich zu fein für Niedriglohnjobs. Gilt das inzwischen auch für Türken?

Natürlich gibt es Arbeitsunwillige auch in der türkischen Bevölkerung. Auf der anderen Seite muss man sehen: Welche Anreize bietet der Staat? Wenn man 1.700 Mark Arbeitslosengeld oder -hilfe und dann für einen Job 2.000 Mark bekommt, dann wird man keinen Anreiz haben, sich sehr arbeitswillig zu zeigen. Deshalb bräuchte es staatliche Zuschüsse für eine Übergangszeit. Vor allem müssen aber auch Weiterbildung und Qualifikation gefördert werden.

Was halten Sie davon, dass die FDP sagt, bevor eine Stelle an Einwanderer vergeben wird, müsse man prüfen, ob „ein Deutscher“ in Frage kommt?

Ich unterstelle erst mal nichts, aber es kann schon sein, dass man da Signale geben will an die rechte Seite. Nach dem Motto: Wir bevorzugen die Deutschen. Rechtlich ist das gar nicht möglich. 70 Prozent der Ausländer, die in Deutschland leben, brauchen überhaupt keine Arbeitserlaubnis, müssen also bereits jetzt gleichrangig behandelt werden.

Nicht nur die FDP, auch die Süssmuth-Kommission will Einwanderung auch ohne konkreten Arbeitsplatz ermöglichen. Wächst da die Angst vor neuer Konkurrenz?

Es gibt schon Ängste in der türkischen Bevölkerung. Die Sorge ist da: Wenn es um Ausländerarbeitslosigkeit geht, interessiert das niemanden, man kümmert sich lieber um attraktive oder billige Arbeitskräfte aus dem Ausland. Diese Ängste wären auch begründet, wenn man die Einwanderung wirklich für alle öffnen würde . . .

Also sind Sie für Quoten?

Wir sind dafür, dass man bestimmte Richtwerte haben sollte, die aber nicht starr sein sollten. Sie sollten in regelmäßigen Abständen festgelegt werden. Eine gewisse Kontrolle ist nötig – auch damit man ungefähr weiß, welche Integrationsmaßnahmen auf uns zukommen.

INTERVIEW: LUKAS WALLRAFF

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