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In Osttimor wird gewählt

Mit einer Kampagne wirbt die UNO für ein Mehrparteiensystem – und stößt auf Skepsis

aus Dili JÖRG MEIER

200 Menschen drängen sich vor dem Bildschirm des Laptops. In dem kleinen Fernseher, wie die Osttimoresen den tragbaren Computer nennen, läuft eine digitale CD: „Die Zukunft des Landes liegt in den Händen des Volkes. Niemand wird wissen, wen ich wähle, die Wahlen sind geheim“, tönt eine alte, zahnlose Frau aus den kleinen Lautsprechern. Nach Jahrhunderten portugiesischer Herrschaft, 24 Jahren indonesischer Besatzung und fast zwei Jahren UN-Interimsregierung soll am 30. August eine verfassunggebende Versammlung im jüngsten Staat der Welt gewählt werden.

Hier in Alas, einem kleinen Dorf 130 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Dili, sind bewegte Bilder auf einem Computerbildschirm noch eine Sensation. Was eine verfassunggebende Versammlung ist, weiß hier kaum jemand. „Ich verstehe nicht, was das soll“, sagt eine junge Frau. „Erst müssen wir uns registrieren lassen, dann müssen wir wieder stundenlang laufen, um zu sehen, ob unsere Namen auf den Wählerlisten sind. Aber wir wissen gar nicht, was wir wählen. Mit den Indonesiern war es einfacher, da wussten wir, was wir wählen müssen.“

Informationskampagnen der UN sollen da aufklären. Die Osttimoresen zeigen sich dankbar, sind aber auch skeptisch. Denn 1999 hatte die UNO ihr Versprechen nicht halten können und musste die meisten internationalen Mitarbeiter abziehen, als proindonesische Milizen nach dem Votum für die Unabhängigkeit in einer Gewaltorgie das Land zerstörten und hunderttausende in die Flucht trieben.

Bei der Wahl vom 30. August bewerben sich 14 Parteien und 7 Unabhängige um 75 Sitze. Weitere 13 Sitze sind für Vertreter der Distrikte reserviert. Die Versammlung soll in drei Monaten ein Grundgesetz ausarbeiten, dann soll Osttimors Unabhängigkeit proklamiert werden.

Carlos Valenzuela, Vorsitzender der unabhängigen Wahlkomission (IEC), bekennt: „Es ist schwer, Menschen, die niemals freie und faire Wahlen erlebt haben, über ihre Rechte aufzuklären. Eines unserer wichtigsten Anliegen ist daher, die Osttimoresen von den Vorteilen eines Mehrparteiensystems zu überzeugen“. Denn seit Anfang Juni der Dachverband des osttimoresischen Widerstands CNRT aufgelöst wurde, ist klar, dass viele ein demokratisches Mehrparteiensystem nicht unbedingt begrüßen. Sie erinnern sich an die Siebzigerjahre, als ein Bürgerkrieg zwischen der linken Fretelin, die eine volle Unabhängigkeit befürwortete, und der UDT, die eine Föderation mit Portugal wollte, zur vom Westen unterstützten Intervention Indonesiens führte. In ihrer Folge starben laut Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen rund 200.000 Menschen, ein Drittel der damaligen Bevölkerung.

Die beiden Parteien buhlen auch jetzt um die Wähler. Fretelin scheint populärer, weil sie ein Symbol des Unabhängigkeitskampfs ist. So könnte sie die absolute Mehrheit gewinnen und dann allein über die Zukunft der Inselhälfte entscheidet. Damit würden sich ihre Gegner kaum abfinden. Indonesische Militärs könnten dann versuchen, mögliche Unruhen auszunutzen.

Im Juni bereisten Studenten aus Dili im Rahmen eines UN-Programms die entlegensten Gegenden. Demokratie sei wie ein Baum, den man gemeinsam pflanzt, hegt und pflegt, um eines Tages Schutz unter seiner Krone zu finden, so die Botschaft. Fernando da Sousa, ein 63-jähriger Bauer, sieht das nicht so: „Wir werden doch nur die kleinen Blätter an diesem Baum sein. Wir werden abfallen und verwelken. Stamm und Äste werden die reichen und klugen Leute in den Städten sein, und sie werden ihre eigene Politik machen.“

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