: Srebrenica war Völkermord
Erstmals erkennt das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag auf Völkermord. Der bosnisch-serbische General Radislav Krstić muss wegen des Massakers an rund 8.000 Muslimen in der UN-Schutzzone Srebrenica im Jahre 1995 für 46 Jahre hinter Gitter
DEN HAAG dpa/taz ■ Das UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hat gestern den früheren General der bosnischen Serben, Radislav Krstić, des Völkermords schuldig gesprochen und ihn zu 46 Jahren Haft verurteilt. Das ist die längste Haftstrafe, die das Gericht seit seinem Bestehen verhängte. Krstić war unter anderem wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnienkrieges (1992–1995) angeklagt.
Das Gericht hielt ihn für schuldig, an der Ermordung von mehr als 8.000 Muslimen in Srebrenica 1995 beteiligt gewesen zu sein. In einer ersten Presseerklärung, die das Gericht nach der Urteilsverkündung herausgab, hieß es, Krstić sei an an der Deportation von Frauen, Kindern und alten Menschen aus Srebrenica während des Angriffes am 6. Juli 1995 beteiligt gewesen. Und weiter: „Wissend, dass Frauen, Kinder und alte Menschen bereits deportiert waren, sind Sie schuldig, Plänen von Massenexekutionen aller Männer im wehrfähigen Alter zugestimmt zu haben. Daher sind Sie des Genozids schuldig.“ Trotz des hohen Strafmaßes blieb das Gericht unter den Anträgen der Anklage. Diese hatte in allen acht Anklagepunkten eine lebenslange Haftstrafe gefordert. Krstić und seine Verteidigung hatten während des 15-monatigen Prozesses auf nicht schuldig plädiert. Der beinamputierte General nahm das Urteil mit blassem Gesicht, aber äußerlich unbewegt entgegen. Wo er die Haft verbüßen wird, blieb unbekannt.
Die Stadt Srebrenica war im April des Jahres 1993 zur UN-Schutzzone erklärt worden. Dessen ungeachtet war der Ort, in dem tausende Muslime Zuflucht vor den bosnischen Serben gesucht hatten, am 11. Juli 1995 nach einem Angriff unter dem Oberkommando von Ratko Mladić in die Hand der Serben gefallen. Viele der Muslime wurden auf der Flucht getötet. Andere wurden in der Stadt von den Frauen und Mädchen getrennt und gefoltert, erschossen oder enthauptet. Bislang wurden etwa 4.500 Leichen in Massengräbern entdeckt. Mehrere tausend Menschen gelten noch als vermisst.
Krstić unterstand zum Zeitpunkt der Erstürmung der UN-Schutzzone Srebrenica als Chef des Drina-Korps direkt dem Oberkommandeur der bosnisch-serbischen Truppen, Ratko Mladić. Mladić ist neben dem damaligen Präsidenten der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, die bekannteste Person, die von dem UNO-Tribunal wegen der Verbrechen während des Bosnienkrieges gesucht wird. Beide befinden sich auf freiem Fuß. BO
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