: Der letzte Sommer
■ Gnadenfrist bis Januar, dann ist endgültig Schluss für das Ofeu am Schulterblatt
Ein Urlaub in Griechenland zieht meist zwei Erzählungen nach sich. Eine vom kleinen Kafenion unter schattigen Platanen, in dem malerische alte Männer Tavli mit ihren Eseln spielen, die andere von der Taverne an einem öligen Hafen, in der auf die Fähre gewartet wurde. Und das ist meist die bessere: schlichtes, bezahlbares Essen, Ouzo und Bier. Lärm, Abgase und mittendrin der Gast, der als Gast und nicht als Tourist behandelt wird.
Das Olympische Feuer – Ofeu für seine Gäste – am Schulterblatt könnte eine dieser Tavernen sein. Ein schmaler dunkler Schlauch. Plakate und Poster zweckgebunden über die angefressenen Kunststoffkacheln der Wandverkleidung gehängt, die Tische Resopalplatten auf Holzgestellen, die Stühle je nach Bedarf hinzugekauft. Das Essen ist preiswert und gut. Doch auch die längsten Geschichten haben ein Ende: Nach 30 Jahren wird Hamburgs zweitältestes griechisches Restaurant schließen. Der Pachtvertrag, der ursprünglich nur bis zum September lief, wurde zwar nach Aussage des Wirtes Kos-tas Sitokonstantinoy bis zum Januar 2002 verlängert, doch das Ende ist gewiss.
Denn 1999 wurde das Gebäude verkauft – an das Jesus Center, Betreiber des angrenzenden Obdachlosencafés Augenblicke. Überrascht und ein wenig ärgerlich sei er schon gewesen, als ihm die Kündigung ins Haus flatterte, gibt Sitokonstantinoy zu, aber „ich kann nichts Schlechtes sagen, denn sie tun viel Gutes“. Die Gerüchteküche brodelt trotzdem. „Yuppisierung“, raunen Ofeu-Fans angewidert, und ein Mitarbeiter des nahen Druckraums Fixstern erzählt, dass die Stadtentwicklungsgesellschaft den Christen das Haus geschenkt habe, weil die für ein schöneres Bild der Schanze sorgen würden.
Man habe „keine Häuser zu verschenken“, stellt Barbara Kayser von der STEG klar. Zumal das Haus der Haspa gehörte. „Wir wurden runtergemacht und bedroht“, sagt Hildegard Imhof vom Jesus Center. „Mich ärgert das. Das wird emotional hochgekocht und wirklich nachgefragt wird nicht.“
Einige Stammgäste sehen die Schließung fatalistischer. „Wir nehmen das hin, was soll man machen“, sagt Uwe, der seit zwölf Jahren ins Ofeu kommt. Und, ein wenig melancholisch: „Das Ofeu ist wie ein zweites Wohnzimmer für mich. Wenn Besuch kommt, hinterlege ich hier einfach meine Schlüssel.“ Fast philosophisch wird Klaus. „Ich mag den Namen“, sagt er halb im Scherz. „Die Flamme, die nie verlischt und immer weiter getragen wird.“
Ähnlich sieht es der Wirt. Auch wenn der Abschied schwer fällt, will er weitermachen und, wenn möglich, im Schanzenviertel bleiben. Philipp Sidhu
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