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„Wir müssen uns etwas einfallen lassen“

■ In einem absolut geheimen Gespräch machten sich zwei hochrangige Senatsvertreter Gedanken über die Kulturfinanzierung. Das Protokoll einer zukunftsweisenden Sitzung

In einem verschwiegenen Hinterzimmer trafen sich gestern im Schutz der Sonntagsruhe zwei hochrangige Vetreter der Steuerungsgruppe Kultur des Senats. Ihr Thema: die Zukunft der Kulturfinanzierung in den Jahren 2002 und 2003. Unter unbeschreiblichen Mühen ist es der taz gelungen, an eine Tonbandaufzeichnung des Gesprächs heranzukommen. Wegen elektronischer Stimmverzerrung sind die Redner nicht eindeutig identifizierbar. Die Namen sind deshalb anonymisiert.

M.: Ich kann das Gejammer von diesen Kulturfritzen nicht mehr hören. Die stellen sich vor die Presse und malen bei der lächerlichen Einsparung von vier und sieben Millionen Mark den Weltuntergang an die Wand. Diese Mafia redet uns noch die ganze Aufbruchstimmung in Bremen kaputt. Dabei waren wir es, die die Glocke und die Kunsthalle und und und saniert haben.

S.: Im letzten Punkt haben Sie Recht, Herr Kollege. Allerdings kann ich Ihre Einschätzung nicht ganz teilen, dass die Einsparungen lächerlich wären. Die Kultur hat einen so hohen Personalkostenanteil, dass wir bei weiteren Kürzungen und den Tarifsteigerungen bald nur noch die Leute bezahlen, aber kein Geld mehr für Theateraufführungen oder Ausstellungen haben.

M.: Werter Herr Kollege: Dann schließen Sie doch endlich mal was. Hier habe ich eine Liste vom Finanzsenator: Da stehen das Moks-Theater, das Schnürschuh-Theater und die Tanzsparte bei Pierwoß drauf. Haben Sie endlich mal Mut!

S.: Um mich dann wie eine Sau durchs Dorf treiben zu lassen? Nein! Im Übrigen bringen manche Kulturprojekte mehr Geld in die Bremer Kassen als viele Ihrer Wirtschaftsprojekte.

M.: Nun fangen Sie mir nicht schon wieder mit dem Musical an.

S.: Nein, aber darf ich Sie um ein Glas Orangensaft bitten?

M.: Mit Verlaub, Sie sind ein hinterlistiger Schuft. Sie wissen ganz genau, dass der frühere Hafensenator das Dittmeyer-Geschäft eingefädelt hat und nicht der Wirtschaftssenator. Aber wenn ich mich richtig erinnere, wollten wir nicht über Saft, sondern über die Kultur reden.

S.: Wenn Sie den Schuft zurücknehmen.

M.: Geht in Ordnung.

S.: Und mir den Saft geben.

widerwillig gibt M. S. eine Flasche Valensina.

S.: Okay. Ich bin der Auffassung, dass wir uns für die Kultur etwas einfallen lassen müssen.

M.: Sie denken an einen Strukturumbaufonds?

S.: Ja, so ähnlich. Aber den hatten wir schon.

M.: An eine Kulturstiftung?

S.: Wäre auch okay, aber die gibt es schon.

M.: Wie bitte?

S.: Ja, zumindest ist sie geplant. Der Eckhoff will sie aus den Impulsgeldern bezahlen, obwohl mir der Ertrag von 290.000 Mark ab 2004 lächerlich erscheint.

M.: Ach ja, die Impulsgelder. Deshalb kommt auch ein Impulsfonds nicht in Frage, obwohl mir das Wort gefällt. Nun machen Sie mal, schlagen Sie was vor.

S.: Ich denke da an einen Innovations- und Konsolidierungsfonds. Damit könnten reformwillige und besonders einfallsreiche Einrichtungen belohnt werden.

M.: Und denken Sie auch an Zahlen?

S.: Elf Millionen Mark für die nächsten beiden Jahre.

M.: Das entspricht zufälligerweise dem Fehlbedarf in der Kultur.

S.: Ja, aber die Zahl hat Hand und Fuß.

M.: Das wird nicht durchsetzbar sein.

S.: Doch, unter einer Bedingung: Wir nutzen die Zeit für grundlegende Reformen in den Kultureinrichtungen.

M.: Das kommt mir bekannt vor.

S.: Sie meinen aus der Zeit des Strukturumbaufonds?

M.: Genau.

S.: Damals haben wir die Mehrkosten durch die Sanierung der Häuser nicht bedacht. Die haben die Einsparungen aufgefressen. Außerdem haben Politiker beider Regierungsfraktionen einigen ihrer Lieblinge mehr Geld versprochen.

M.: Sie wollen also im Ernst eine zweite Chance?

S.: Ja.

M.: Und wenn es wieder nicht klappt? Wie ich höre, fordern mehrere Einrichtungen eine Erhöhung der Zuschüsse. Besonders die Kunsthalle kann uns wegen dieses verflixten Vertrages Ärger machen.

S.: Das kriegen wir schon irgendwie hin. Und wenn es nicht klappt, komme ich in zwei Jahren wieder und schlage einen Vorruhestands- und Ehrenamtsfonds vor. Wir schicken die über 56-jährigen Direktoren und Intendanten in Pension, und die arbeiten dann ehrenamtlich weiter.

belauscht, aufgeschrieben und leicht korrigiert von ck

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