: Quadratur der Widrigkeiten
Am Rande der Weltmeisterschaft der Vierkämpfer machen konkurrierende Veranstalter und Patente Probleme, die die Quadrathleten so schnell nicht lösen werden. Aber ihren Sport finden sie geil
aus Prenzlau MARKUS VÖLKER
Die Probleme beginnen schon bei der Namensgebung der Sportart. Die einen sagen Quadriathlon. Das liegt klanglich näher an der Mutterdisziplin. Andere sprechen von Quadrathlon, was den vier Sportarten Kanu, Radfahren, Laufen und Schwimmen eher entsprechen soll. Beide Begriffe geisterten auch bei der Weltmeisterschaft der Vierkämpfer am Samstag im brandenburgischen Prenzlau herum. Das hat seine Gründe.
1986 dachte sich ein Italiener auf Ibiza, ein herkömmlicher Triathlon sei zu fad. Also setzte sich Prinz Sergio de Ferrera auch noch ins Kanu und paddelte zur vierten Disziplin. Er nannte die Neuerung Quadriathlon und gründete einen Weltverband. Bis zuletzt richtete er Weltmeisterschaften aus, bis er schließlich ein wenig in Misskredit geriet. Denn bei der Veranstaltung im letzten Jahr machte sich der Prinz mit den Startgeldern einfach davon. So war der Weg frei, die WM nach Prenzlau zu holen, die von einem konkurrierenden Weltverband, der Welt-Quadriathlon-Föderation, ausgetragen wurde.
Doch auch hier zu Lande taten sich Probleme auf. Denn ein findiger Münchner hatte sich beim Patentamt beide Namen schützen lassen. Wird in Deutschland gevierkämpft, muss der Veranstalter 400 Mark nach München überweisen. Das wurde sogar gerichtlich ausgefochten. Der Quadrathlon also gebährdet sich wie eine Sportart, in der es viel Geld zu verdienen gibt und somit die Interessen verteilt sind.
Allerdings lag das Preisgeld mit 2.000 Mark in einem Bereich, der Profisportlern ein beileidiges Lächeln abverlangt. „Aber für die Tschechen und Ungarn ist das verdammt viel Geld“, sagt Peter Kaden über die dominierenden Nationen. Kaden organisiert den „BerlinMan“, eine Veranstaltung, die im nächsten Jahr wieder stattfinden soll. Sicher ist das nicht. „Ich bekomme doch in Berlin kaum eine Straße abgesperrt“, sagt er.
Auch in Prenzlau hatte man seine liebe Mühe und Not mit der Absperrung der Radstrecke. Die Athleten zwängten sich zwischen Autokolonnen auf einer Bundesstraße hindurch. Schockiert war Kaden von einem Radler, der „blutüberströmt unterm Auto“ lag. Der Verunfallte verletzte sich nicht ernsthaft. Und Kaden (48) stürmte trotz der Widrigkeiten auf Platz neun des Uckermärkischen „Granit-Man“, eines Parallelrennens auf der Kurzdistanz (1 km Schwimmen, 5 km Kajak, 25 km Rad, 5 km Laufen).
Die Vierkämpfer suchen ihren Platz im deutschen Sport. Die Triathlon-Union nimmt sie nicht auf, in den Kanuverband sind sie auch nicht integriert. Ohne Dachverband fristen sie ihr Dasein. Die meisten Topathleten kommen vom Kanusport. Auch Martin Noack (26) vom Paddelclub Gut Nass Tegel. Er belegte Platz fünf im Sprint. „Kanuleistungssport ist für mich abgefahren, da ist das hier eine gute Alternative“, sagt er. Allerdings klappt es mit dem Rad noch nicht so gut. „Ich habe mir erst vor kurzem ein gutes gekauft.“ Schwimmen und Laufen funktionieren dagegen, das habe er früher auch trainiert. Kaden ist das den Hinweis wert, dass „der Boris Becker ja auch nebenbei joggen musste“.
Die WM wurde auf der Langdistanz ausgetragen. Nach 5 km Schwimmen wurde 100 km geradelt, 40 km im Kajak gefahren und schließlich ein Halbmarathon drangehängt. Der beste Deutsche, Thoralf Berg (TSV Cottbus) wurde Zweiter. Er hatte keine Chance gegen den Tschechen Miroslav Podborsky, der 6:59:15 Stunden brauchte. Bei den Frauen wurde Kerstin Niclas aus Berlin Weltmeisterin. Ihre Zeit: 7:49:03 Stunden.
Als fast alle Läufer ins Ziel gekommen waren, bemerkte Peter Kaden, müde vom Vierkampf am Ufer des Uckersees: „Wir haben einfach keine Lobby. Neulich erst hat uns das Fernsehen wieder abgespeist.“ Sie wollten ein wenig werben für ihren Sport. Trotzdem macht er weiter. „Es ist doch so ein geiler Sport.“ In drei Wochen reist er deshalb zur Mitteldistanz-WM nach Sedlčany in Tschechien.
Dort gibt es anlässlich des „Diamond Man“ keinen Streit mit dem Herrn aus München. Wenngleich auch andere nicht müde werden, den Namen für sich zu beanspruchen. In New Mexico in den Vereinigten Staaten hat sich ein Event etabliert namens Quadrathlon. Dort wird den Mount Taylor hochgeradelt, -gelaufen, mit Skiern geskatet und Schneeschuh gestapft. Und ein paar Studenten melden sich neulich auch zu Wort: Sie sorgen mit ihrem Quadrathlon, bestehend aus Carrom, Carabande, Jakkolo und Dart für die Quadratur der Ansprüche.
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