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Ausgeliefert

■ Prozess gegen 28-Jährigen, der zwei Prostituierte vergewaltigt haben soll

Unter den Frauen und Mädchen, die in St. Georg anschaffen gehen, war Marco V. irgendwann bekannt. Als einer, der glaubte, sich sexuelle Dienste nicht kaufen zu müssen, sondern erzwingen zu können. Zwei Prostituierte zeigten den 28-Jährigen an. Der steht seit gestern vor dem Landgericht. Körperverletzung, Vergewaltigung und schwerer Raub lautet die Anklage.

Als im Frühjahr zwei drogenabhängige junge Frauen in St. Georg tot aufgefunden wurden, wurde nur die Spitze des Eisbergs offenbar. Hilfseinrichtungen wie das „Café Sperrgebiet“ oder „Ragazza“ hatten schon zuvor darauf hingewisen, dass die Gewalt gegenüber Frauen aus der Drogenszene zugenommen hat, seit Crack aufgekommen ist. Wegen der kurzen Wirkungsdauer des Stoffes ist der Beschaffungsdruck enorm, die Mädchen sind ihren Freiern mehr denn je ausgeliefert. Die Erfahrung mussten auch Panja L. und eine Kollegin machen.

Im November war Panja L. mit Marco V. in einen Hinterhof gegangen. Zwischen Mülltonnen und Tischtennisplatte sollte das Geschäft laufen. 50 waren vereinbart. Doch statt ihr vorab das Geld zu geben, so die 31-Jährige, habe Marco V. sie zu Boden geworfen und zu vergewaltigen versucht. „Lass mich los, ich mach es freiwillig“, flehte sie ihn an, konnte sich aufrichten und um Hilfe rufen. Als Nachbarn und die Polizei eintrafen, behauptete der Mann, er habe 100 Mark gezahlt und dafür keine Gegenleistung bekommen. Bei Panja L. wurde kein Geld gefunden. Eine zweite Zeugin erschien nicht vor Gericht. Sie habe Angst davor, ihrem Vergewaltiger wieder zu begegnen, richtete sie aus. Zweimal soll Marco V. die Frau im Februar vergewaltigt haben.

Er selber schweigt. Sein Anwalt versucht, die Glaubwürdigkeit von Panja L. zu erschüttern. Vor 10 Jahren, hat er herausgefunden, hatte sie mal ihren Ehemann der Vergewaltigung beschuldigt – und die Anzeige zurückgenommen. Warum, will er wissen. Sie sagt es nicht. „Bei häuslicher Gewalt kommt das oft vor“, erinnert der Staatsanwalt. Der Richter weist die Frage zurück: „Das ist nicht vergleichbar. Damals war es im persönlichen Lebensbereich.“ Elke Spanner

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